Die Popponen – höchster karolingischer Reichsadel

28. April 2013
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Die Popponen bzw. älteren Babenberger werden zum karolingischen Reichsadel gezählt. Sie sind vermutlich der ostfränkische Zweig der Robertiner, die mit Poppo I. schon unter Kaiser Ludwig dem Frommen im heutigen Dreiländereck Hessen-Thüringen-Unterfranken amtsansässig werden. Die Familie ist seit Karl dem Großen im Gefolge des Monarchen nachgewiesen. Die Robertiner im westfränkischen Teil des karolingischen Reiches können sich recht unangefochten behaupten und stellen mit Hugo Capet den ersten König in ihrer Familie. Mit ihm beginnt das “Maison de France”, zu dem sich in ungebrochener männlicher Linie bis heute z.B. die spanischen Bourbonen zählen können. Im Ostfränkischen Reich geht es den Verwandten nicht so gut, wie wir sehen werden.
“Poppo” ist für unsere Ohren ein merkwürdiger Name. Er erscheint uns als “Lall-Wort” wie Mama und Papa und damit als völlig unangemessen für einen hochmächtigen Vertreter des fränkischen Kaisers. Er ist aber auch die Kurzform zu “Robert” (wie “Bob” im Englischen). Poppo I. ist von 819 – 839 als Graf im Saalegau und Grabfeld, wozu die Buchonia und das Tullifeld gehören, urkundlich belegt. Seine Grafenrechte und -pflichten erstrecken sich also über mehrere ostfränkische Gaue bis an die thüringische Sorbengrenze. Grafen sind schriftkundige Verwalter und Statthalter des Monarchen. Sie haben das Königsrecht durchzusetzen. Poppo I. ist, soweit wir wissen, der erste westfränkische Reichsadlige, der sich durch Heirat mit dem eingesessenen Hochadel verbindet. Wie seine Gemahlin hieß und aus welcher eingesessenen Adelsfamilie sie stammte, wissen wir freilich nicht. Vielleicht aber stammt sie aus der Familie der Hattonen, die ebenfalls zum karolingischen Reichsadel gehören, und die Heiratsbeziehungen zum eingesessenen Adel beginnen mit Poppos I. Söhnen. Dann wäre Erzbischof Hatto von Mainz, ein Mitglied der nächstfolgenden Generation, weitläufig mit den Babenbergern verwandt, die er so eifrig bekämpft. Während der Regierungszeit Kaiser Ludwigs des Frommen ist Poppo I. der mächtigste Mann in Ostfranken.
Im Konflikt Kaiser Ludwigs des Frommen mit seinen vier Söhnen stehen Poppo I. und sein Cousin Rupert III., Graf im Worms- und Oberrheingau, auf Seiten des Kaisers, mit dem sie durch Kaiserin Ermengarde versippt sind. Der Kaiser und seine vier Söhne streiten miteinander und dem Vater im Konflikt zwischen “Reichseinheit” und hergebrachter Erbteilung. Die Reichseinheit – eine Idee aus dem Römischen Reich – sieht nur einen unumschränkten Monarchen an der Spitze vor, das fränkische Erbrecht aber gesteht jedem legitimen Königssohn ein eigenes regnum zu. Beides schließt sich aus. Poppo I. findet sich oft im Gefolge des Kaisers; dieser war zwei Mal in der karolingischen Pfalz Salz an der fränkischen Saale, und zwar jeweils, während sein Sohn Ludwig der Deutsche das Ostfrankenreich – das ihm als regnum zugesprochen worden war – hat räumen müssen. Die führenden Mitglieder der damals mächtigsten Familien, die Besitz, Ämter und Lehen in den verschiedensten Reichsteilen haben, müssen sich positionieren. Poppo I., Hatto im Kunigessundragau und Gebhard im Lahngau sollen im Auftrag des Kaisers im Jahr vor dessen Tod beraten, “was zu tun sei, wenn sich Neuigkeiten aus den baiuvarischen Landesteilen ergeben sollten”. Die drei Gaugrafen entscheiden sich für Lothar I., den ältesten Sohn Ludwigs des Frommen und designierten Nachfolger in der Kaiserwürde, und gegen Ludwig den Deutschen. Aber Kaiser Lothar I. verliert am 25.06.841 die Schlacht von Fontenoy in Burgund. Nach der Reichsteilung im Vertrag von Verdun im Jahre 843 bleibt ihm das “Mittelreich” (später Lotharingien genannt) und viele Ministeriale verlieren unter Ludwig dem Deutschen ihre Ämter im Ostfränkischen Reich. Schon ab 833, seit Ludwig der Deutsche sich ‘rex in orientale Francia’ nennt, versucht er, Poppos I. Macht durch Entzug von Amtslehen zu schmälern.
Neben Poppo I. wird ab 803 ein comes Burchard genannt, der Königsgut in der Wetterau zu verwalten hat. Sein Name weist ihn als Franken aus, sodaß wir auch in ihm einen Angehörigen der karolingischen Reichsaristokratie vermuten dürfen. Ab 837 ist er an Stelle Poppos I. im Grabfeld belehnt; zuletzt erscheint er 857 als Zeuge auf dem Gerichtstag des comes Christian in Jüchen sowie 866 als Zeuge für einen Vasallen des comes Hessi im Saalegau. Möglicherweise hat Poppo I. nach Ludwigs des Frommen Tod im Jahre 840 alle Grafschaftsrechte verloren und sich auf seine Eigengüter bis zu einem friedlichen Tod zurückgezogen. Vielleicht ist er aber auch schon 841 in der Schlacht an der Wörnitz gegen Ludwig den Deutschen gefallen. Für mehr als zwei Jahrzehnte ist der Wirkungskreis der Familie auf ihre Eigengüter beschränkt.
Der comes Christian erscheint erstmals 857 in den Urkunden. Er ist Graf im Grabfeld, stammt aber wohl aus dem Speyergau. Im Todesjahr Ludwigs des Deutschen wird er letztmalig in einer Urkunde genannt; offensichtlich ist er ein verläßlicher ‘Getreuer’ dieses ostfränkischen Königs.

Grabfeld

Lage des Grabfelds: früher war es etwa das Gebiet der Karte im Dreieck Bayern−Hessen−Thüringen, heute nur der hell markierte Bereich im bayerisch-thüringischen Grenzgebiet
Titel: Region Grabfeld
Foto: Lencer
Original-Datei: Region Grabfeld
Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
(Quelle: Wikipedia)

Heimrih, so lautet die ursprüngliche Namensform für ‘Heinrich’, Markgraf in Friesland, wird etwa 830 als älterer Sohn Poppos I. geboren.
Verheiratet ist Heimrih möglicherweise mit Ingeltrud von Friaul, der ältesten Tochter von Markgraf Eberhard und Gisela, der Tochter Kaiser Ludwigs des Frommen. Das würde die auch in dieser Generation bestehende Nähe der Familie zum Kaiserhaus erklären, ist aber nicht sicher. Bemerkenswert wäre dabei, daß Gisela eine Vollschwester Ludwigs des Deutschen ist, zu dem Heimrihs Verhältnis “sehr gespannt” genannt werden muß. Vielleicht aber ist alles ganz anders und Heimrih ist mit einer namentlich unbekannten Tochter Cobbos des Älteren, des mächtigsten Mannes in Sachsen, verbunden.  Mindestens vier Kinder sind überliefert:
Adalbert, Adalhard, Hadwig und Heinrich.
Heimrih ist im westlichen Grabfeldgau an der Fulda und im Volkfeld begütert. Eventuell bekommt er auch noch den Radenzgau als Graf übertragen.

Trotz seiner familiären Verbindungen ist Heimrih ein Gegner Ludwigs des Deutschen.  An der Verschwörung im östlichen ‘Francien’ und in Baiern gegen Ludwig den Deutschen in den Jahren 861 – 866 ist Heimrih beteiligt. Auch Ludwig der Jüngere ist in sie verwickelt; er schickt Heimrih zu Rastizlav von Mähren, um ihn zu einem Überfall zu bereden. Allerdings verläuft die Erhebung der beteiligten Adligen so unkoordiniert, daß Ludwig seine Gegner nacheinander unterwerfen kann. Um seine Söhne zu befrieden, setzt Ludwig der Deutsche sie schon im Jahre 865  in genau beschriebenen  Reichsteilen als Mitkönige ein. Sein mittlerer Sohn Ludwig (‘der Jüngere’) erhält Francia, Sachsen und Thürungen. Unter diesem Fürsten ist Heimrih ab 866 als “princeps militiae” aktenkundig.
In Sachsen hat Heimrih, der der Schwiegervater Ottos des Erlauchten, Herzog der Sachsen, ist, Vasallen. Als Ludwig der Deutsche 871 einen dieser Vasallen entweder wegen eines persönlichen Vergehens oder aber stellvertretend aus Rache an Heimrih blenden läßt, kommt die angestrebte Aussöhnung mit Ludwig dem Jüngeren nicht zustande. Ludwig der Deutsche stirbt 876 und es folgt ihm sein Sohn Ludwig III. der Jüngere im Bereich von Francia, Thüringen und Sachsen nach. Der neue Herrscher ist mit Liutgard verheiratet, einer Schwester Ottos des Erlauchten. Er setzt Heimrih als Graf im Grabfeld ein. Ludwig III. stirbt bereits im Jahre 882 ohne männliche Erben. Sein Bruder Karl III., anfangs nur König in Alamannien, dann Erbe seines Bruders Karlmann in Italien, erbt nun alles. Seit 881 ist er bereits vom Papst gekrönter Kaiser des Frankenreiches, selbst wenn dieses langsam im Zerfall begriffen ist.
884 verteidigt Heimrih als dux des Heerbannes des Ostfränkischen Reiches Sachsen gegen die Normannen und 885 beendet sein militärischer Einsatz die Wikingerherrschaft unter Gottfried von Dänemark in Friesland. Tatsächlich läßt Heimrih den mit dem Kaiser versippten Dänen bei vorgetäuschten Verhandlungen erschlagen; wenig später wird sein mit ihm verbündeter Schwager Hugo vom Elsaß in einen Hinterhalt gelockt, geblendet und in die hochehrwürdige karolingische  Reichsabtei Prüm gesteckt. Im selben Jahr greift Heimrih zu Gunsten seines jüngeren Bruders Poppo (II.) in den Streit um das Herzogtum der Mark Thüringen ein.
Am 20.08.886 fällt er vor Paris gegen die Normannen als “dux austrasiorum”, also Oberbefehlshaber des fränkischen Heerbannes. Die Normannen haben ihm buchstäblich eine Grube gegraben: sein Reittier stürzt hinein, der Herzog zu Boden und die Normannen erschlagen ihn. Erst nach hartem Kampf wird die Leiche des Erschlagenen den Angreifern abgerungen. Beigesetzt wird Heimrih in dem ehrwürdigen merowingisch-karolingischen Reichskloster St. Médard zu Soissons, was eigentlich nur Angehörigen des Kaiserhauses vorbehalten war.
Kaiser Karl III. ist krank, möglicherweise leidet er an ständiger Migräne oder an Epilepsie. Er hat nur einen Friedelsohn und keine erbberechtigten Nachkommen. Sein (nicht ebenbürtiger) Neffe Arnulf von Kärnten kann die kaiserliche Partei nach kurzer kriegerischer Auseinandersetzung 887 aus ‘Austrasien’ verdrängen.

Poppo II., Heimrihs jüngerer Bruder, ist von 880 bis 892 Markgraf und Herzog der Sorbenmark, wird aber 892 von Arnulf von Kärnten aus diesem Amt entlassen, da ein Feldzug gegen die Sorben unglücklich ausgegangen ist. Statt seiner erhält  Burchard II. die Sorbische Mark und etwa 897 auch den Dukat über Thüringen. Für eine kurze Zeit davor hatte Konrad der Ältere, Graf im Lahngau, diese Position inne. Als Vasall des Monarchen erscheint Burchard auch außerhalb Thüringens, vier Mal gemeinsam mit Erzbischof Hatto von Mainz. Ab 908 ist Burchard II. auch Graf im Grabfeldgau – seine Parteinahme für die Konradiner in der Babenberger Fehde zahlt sich aus. Poppo II. wiederum hält sich aus der Babenberger Fehde heraus und behält “wenigstens” einige Grafschaften im Nordgau und Volkfeld. Am 03.08.908 fällt Burchard II. mit Bischof Rudolf von Würzburg, einem Bruder Konrads, und einem comes Egino gegen die Ungarn. Seine Verwandten werden im Jahre 913 von Heinrich von Sachsen aus Thüringen vertrieben, ihre Güter unter dessen Vasallen aufgeteilt, sodaß sie sich dort keine Machtposition mehr aufbauen können.

© Amhara zu Agorá

 

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