Getreide – nun die Gerste

12. August 2012
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Heil- und NutzpflanzenMit Einkorn und Emmer gehört Gerste zu den ersten vom Menschen gezielt angebauten Getreidearten. Ihr Ursprungsgebiet ist der Vordere Orient und der östliche Balkan. Älteste Funde von Gerste auf dem Peloponnes lassen sich mittels c14-Methode auf etwa 10.500 v. Chr. datieren. Ab 7000 v. Chr. begann eine systematische Zucht und seit der Jungsteinzeit (5500 v. Chr.) wird auch in Mitteleuropa Gerste angebaut. Sie ist ein klassisches Getreide der Antike und wurde im Mittelalter als ertragreiches Viehfutter geschätzt – neben der Verwendung als Grundstoff für Bier und natürlich auch für schlichte Backwaren.

Gerste

Gerste (Tafel aus -Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz- von Otto Wilhelm Thomé von 1885) – Quelle: www.BioLib.de

Die wichtigste und weltweit angebaute Gerstenart ist die Kulturgerste. Sie ist ein einjähriges Gras, das bis 140 cm hoch werden kann. Kennzeichnend für die mitteleuropäische Gerste sind die langen Grannen an den Ähren, die bis 15 cm lang werden können. Da es aber auch Gerstensorten ohne Grannen gibt und Weizen, der begrannt ist, sind Grannen allein noch kein sicheres Unterscheidungsmerkmal. Die reifende Ähre neigt sich – Weizenähren bleiben stehen. Ausserdem brechen Gerstenähren im reifen Zustand viel leichter ab als die anderer Getreidearten. Bei Braugerste sind die Körner mit der Spelze verwachsen. Es gibt aber auch sogenannte Nacktgersten, die einen Verarbeitungsgang weniger brauchen (das Entspelzen), um für Backwaren tauglich zu sein. Spelzen hat niemand gerne zwischen den Zähnen. So fanden Ausgräber im Vorderen Orient eine Siedlung, die vollkommen ohne Brot ausgekommen zu sein scheint, obwohl die Menschen Gerste angebaut haben. Sie hatten noch keine Nacktgerste… Die einzige Möglichkeit, die Kohlehydrate und Proteine des Getreides für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen bestand darin, die Gerste zu Bier zu verbrauen. Die Forscher haben beide Möglichkeiten ausprobiert. Nachdem sie Gerstenbrote wegen ihres hohen Anteils an Spelzen ungeniessbar fanden, haben sie sich dem Biertrinken zugewandt… Nacktgersten wurden dort gezüchtet, wo Weizen nicht gut gedeiht, z.B. in Äthiopien, Tibet, Nepal und China. Von dort wurden sie vom Menschen gezielt weltweit verbreitet.

Gräser werden meist durch den Wind bestäubt, aber selbst darauf kann Gerste verzichten. Sie ist selbstfruchtbar. Die mitteleuropäische Kulturgerste ist weniger winterhart als Roggen und Weizen, aber es gibt Sorten, die am Rande von Trockengebieten gedeihen (Äthiopien) oder an extreme Höhen angepasst sind (Tibet und Nepal, 4000 m), wo kein anderes Getreide mehr Erträge liefert. Unsere Kulturgerste bringt ihre besten Erträge auf tiefgründigen, gut durchfeuchteten Böden, aber sie kommt auch mit ungünstigeren Bedingungen zurecht.

Gerste wird als Winter- oder Sommergerste angebaut. Wintergerste bringt höhere Erträge als das Sommergetreide und ist durch seinen günstigen Nährstoffgehalt als Tierfutter gut geeignet. Sommergerste wird vorwiegend zum Bierbrauen genommen.

Moderne Sommergerste reift in weniger als 100 Tagen heran und braucht deutlich weniger Wärme als Wintergerste. Diese bringt bei einer Aussaat im September die besten Erträge und braucht 300 Tage bis zur Ernte. Geerntet wird nur bei Vollreife.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Gerste ist geringer als die von Weizen, Mais und Reis. Wichtig ist sie als Braugerste. Ohne Spelze enthält Gerste bis zu 70% Stärke, etwa 11% Proteine, 10% Ballaststoffe, je 2% Fett und Mineralien sowie Vitamin B. Das aus der Gerste gewonnene Malz kommt als Braumalz – Backmalz – Whiskymalz , als Malzkaffee und als Zutat in Cerealien zum Einsatz. Ungemälzt könnten wir Gerste als Grütze und Graupen, gelegentlich auch als Fladen oder Brot verzehren. Da Gerste Gluten enthält, ist sie zum Brotbacken geeignet.

Gerstenschösslinge wirken entwässernd und fiebersenkend. Gerstengras wird in der Tiermast eingesetzt und in getrockneter, pulverisierter Form als Nahrungsergänzungsmittel. Es schmeckt etwa wie verdünnter Spinat.

Gerstenstroh ist zwar weicher und saugfähiger als Weizenstroh, wird aber wegen der Grannen kaum als Einstreu genutzt. Die Grannen können die Atemwege der Tiere reizen.

“Ein Gerstenkorn” ist eine historische angelsächsische Längeneinheit. Im England des Hochmittelalters entsprach ein Inch der Länge von drei Gerstenkörnern.

© Amhara zu Agorá

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One Response to Getreide – nun die Gerste

  1. Mia
    24. Oktober 2012 at 11:32

    Sehr schöner Artikel. So kann man doch einiges mehr über die Gerste erfahren, was einem sonst in diesem Umfang nicht bekannt ist.

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