Das Mysterium des Alraunenmännchens

1. September 2013
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In den zahlreichen Geschichten, Dokumentationen und Romanen, die ich im Laufe der Jahre über die Ära des Mittelalters verschlungen habe, war immer wieder von der Alraun-Wurzel die Rede. Die unterschiedlichsten Namen wurden der wundersamen Pflanze gegeben. Galgen-, Erd-, und Heckenmännchen oder auch Mandragora wurde sie genannt. Worin aber liegt der eigentliche Zauber des, auf den ersten Blick recht unscheinbar wirkenden, Nachtschattengewächses mit den kleinen lilafarbigen Blüten?

Alraune Codex Dioscurides neapolitanus

Mandragorabilder im Dioscurides Neapolitanus Blatt XC (90) um 700
Quelle: wikimedia

Das Geheimnis der Alraune ruht tatsächlich in ihrer Wurzel. Anfänglich mutet diese etwas rübenartig an, ist aber ab der Mitte zweigespalten. Dieser Anblick wiederum erinnert sehr stark an einen menschlichen Leib mit den dazugehörigen Gliedmaßen. Für die abergläubischen Menschen des Mittelalters ein untrügliches Zeichen, dass es sich bei der Alraune um einen wundertätigen Pflanzengeist handeln müsse.

Alraune - Codex Medicina Antiqua - fol 118 recto - Darstellung der mythischen Ernte einer Alraunwurzel

Seite aus dem Kodex Medicina Antiqua (fol. 118 recto). Das Bild zeigt die mythische Ernte einer Alraunwurzel. Der Text darüber erläutert die medizine Anwendung der Pflanze Mandragora (gegen Ausschlag und Gelenkschmerzen) um 1250
Quelle: wikimedia

Die Alraunen wurden jedoch nicht nur als Puppen oder in Amulettform verehrt. Die magische Wurzel kam auch als Narkotikum bei Operationen zum Einsatz. Die pflanzenheilkundige Hildegard von Bingen allerdings bezeichnete die Mandragora als Wurzel des Teufels. Wen wundert es, stand doch eine Klosterfrau dem Aphrodisiakum, welches ebenfalls aus der Alraune gewonnen werden konnte, sicherlich recht skeptisch gegenüber.

Alraune in Tacuinum Sanitatis

Alraunenernte mithilfe eines Hundes (Wiener Tacuinum Sanitatis (um 1390)
Quelle: wikimedia

Das Sammeln der Wurzel war schon eine Wissenschaft für sich. Weit verbreitet war der Glaube, Alraunen würden bevorzugt auf den Galgenbergen wachsen, da sie durch den Samen und Urin, den die Gehenkten im Todeskampf letztmalig von sich gaben, entständen. Die Ernter verschlossen sich zudem ihre Ohren vorsorglich mit Wachs, hatten sie doch Angst vor dem schrillen Schrei, welchen das Galgenmännchen von sich geben sollte, wenn es dem Erdreich entrissen wurde. Manchmal wurden sogar Hunde an den Wurzelstock gebunden und anschließend zum Herausziehen der Pflanze angetrieben. Dies war eine weit verbreitete Vorsichtsmaßnahme vor dem giftigen Odem, den die Alraune verbreiten sollte.

Männliche und weibliche Alraune - Holzschnitt aus dem Hortus sanitatis des Johannes de Cuba

Eine männliche und eine weibliche Alraune. Holzschnitt aus dem Hortus sanitatis des Johannes de Cuba etwa 1498
Quelle: wikimedia

Der stolze Besitzer eines Galgenmännchens hatte es schließlich und endlich auch nicht wirklich einfach. Wenn ihn auch das Glück, dank der Wurzel, bei Lebzeiten nie verließ, so drohten ihm doch im Jenseits die Qualen der Hölle. Um diesen zu entgehen, musste er die Mandragora möglichst noch vor seinem Tode an einen potenziellen Interessenten weiterreichen. Der Legende nach soll der berüchtigte Alchemist Doktor Faust Eigentümer einer Alraune gewesen sein, und einen Teil seiner
magischen Kraft aus ihr geschöpft haben.

Wenn die Pflanze im Mittelalter aber so weit in Deutschland verbreitet war, wieso habe ich dann noch nie eine in der Natur zu Gesicht bekommen? Wenigstens schreibt Heinrich Gottlob Gräve in seinem Werk “Volkssagen und volkstümliche Denkmale der Lausitz” in der Muskauer Heide würden Alraunen wachsen. Liegt es vielleicht gar daran, dass die Galgen schon viele Jahre von der Bildfläche verschwunden sind? Wikipedia sagt mir, Madragoras wären im gesamten Mittelmeerraum zu finden. Jedoch habe ich selbst während meiner Griechenland-Urlaube solch eine Pflanze noch nie gesehen.

Ebay macht es letztendlich möglich. Ich gestehe, ich habe mir nun dort ein paar Alraunen-Samen bestellt. Streng genommen kann es ja auch heutzutage nicht schaden, wenn man sich etwas Glück ins Haus holt. Vielleicht teile ich Ihnen zu einem späterem Zeitpunkt die Erfahrungen mit meinem persönlichen Alraunmännchen mit. Bis dahin sind Sie gerne herzlich eingeladen, auf meinem Blog “Welt der Legenden” unter http://www.welt-der-legenden.de/ vorbeizuschauen. Dort warten noch eine Menge anderer mysteriöser und sagenhafter Begebenheiten auf eine wissbegierige Leserschaft.

Eure Anja von Welt der Legenden

Gemeine Alraune - Mandragora officinarum

Gemeine Alraune – Mandragora officinarum
Titel: Mandragora autumnalis Bertol
Foto: tato grasso
Original-Datei: Mandragora autumnalis Bertol
Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.de

Wurzeln der Gemeinen Alraune

Wurzeln der Gemeinen Alraune
Quelle: wikimedia

Gemeine Alraune - Mandragora officinarum - Früchte - Pariser Jardin des Plantes

Gemeine Alraune (Mandragora officinarum), Früchte, Pariser Jardin des Plantes.
Titel: Mandragore officinale, fruits, Jardin des Plantes de Paris, le 14 juin 2004
Foto: Bouba aus der französischsprachigen Wikipedia
Original-Datei: Mandragore officinale, fruits, Jardin des Plantes de Paris, le 14 juin 2004
Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

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