Das Ende der Völkerwanderung

24. März 2013
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Bis heute kann nicht sicher erklärt werden, warum ein Reitervolk aus einem Gebiet, das sich zwischen dem heutigen Kasachstan und der Mongolei erstreckte, nach Westen zog und die dort ansässigen Völker unterjochte. In neuerer Zeit gibt es Mutmaßungen, dass es sich hier um eine mögliche Klimakatastrophe gehandelt haben könnte. Neuere dendrochronologische Untersuchungen weisen auf eine anhaltende Kälteperiode im 5. Jahrhundert im Nordosten des eurasischen Raumes hin. Eine geringe Wachstumsphase ist an den Baumscheiben jener Epoche zu erkennen. Auch in späteren Zeiten erfroren die Kälte gewohnten Yaks, die Rinder der Mongolen, im Stehen. Möglich, dass durch lange Kälteperioden weder Mensch noch Tier ausreichend mit Nahrung versorgt worden ist. Gibt es eine besseren Erklärung als eine Hungersnot für den Auslöser der massiven Bewegung dieser Nomadenvölker? Begannen sie sich mit Gewalt das zu beschaffen, was sie zum Überleben brauchten? Diplomatische Verhandlungen waren in der Zeit der Spätantike und im frühen Mittelalter unbekannt. Hier galt das Recht des Stärkeren.

Dieses Volk waren die Hunnen, die raubend und mordend die germanischen Stämme östlich der Weichsel heimsuchten. Die Hunnen waren den anderen Völkern überlegen. Sie brachten eine militärische Technologie mit, die den Germanen und Römern bis dahin völlig fremd war. Ihre Pferde trugen Sättel, wie sie noch heute im asiatischen Raum benutzt werden. Das Besondere am Sattel war sein hölzernes Gestell. Dieses verschaffte dem Reiter durch einen nach vorn und hinten hochgezogenen Steg, den Vorder- bzw. Hinterzwiesel, in allen Gangarten großen Halt. Bei der römischen Reiterei konnte es vorkommen, dass während einer Schlacht Reiter das Gleichgewicht verloren und stürzen. Die zweite Neuerung war der Reflexbogen, eine verheerende Schusswaffe, die aus vollen Ritt vom Reiter abgeschossen werden konnte. Der Reflexbogen war nicht starr wie die bisher bekannten, sondern verfügte über eine Federung und damit größere Spannkraft, die eine höhere Geschwindigkeit, Weite und Treffsicherheit bewirkte. Die Hunnen waren kein wilder Haufen von anarchischen Freischärlern. Im Gegenteil waren sie ein gut organisiertes Volk mit einer eigenständigen Kultur und Religion, das seinem Großkönig und seiner klaren Befehlskette folgte.

375 n. Chr. kann als das Schicksalsjahr bezeichnet werden. Die Hunnen fielen ins Siedlungsgebiet der Ostgoten ein. Wie ein Dominospiel geriet alles in Bewegung. Viele germanische Stämme zogen nach Südwesten. Die Ostgoten unterwarfen sich dem Hunnenkönig Attila. Der alte Gotenkönig Theoderich wollte nicht mit ansehen, wie sein Volk seine Würde verliert, und entleibte sich vor den Augen seiner Fürsten. Das Hildebrandlied aus dem 9. Jahrhundert, eines der ältesten poetischen Textzeugnisse, besingt sein Ende.

Karte Völkerwanderung

Darstellung zeigt die Völkerwanderungen im Europa vom zweiten bis fünften Jahrhundert nach Christus.
Titel: Karte Völkerwanderung
Foto: Sansculotte
Original-Datei: Karte Völkerwanderung
Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
(Quelle: Wikipedia)

Indessen flüchteten die Westgoten aus ihrem angestammten Lebensraum, dem heutigen Rumänien, nach Westen. Sie überquerten die Donau und zogen über Ungarn und den Balkan bis vor die Tore Roms. Durch archäologische Funde und ihre Datierung weiß man heute, wohin ihre Wanderung ging. Der Adler war ein typisches Motiv, das in den verschiedenen Regionen, durch die sie zogen, zu finden ist. Sie wollten Bürger des römischen Reiches werden. Zuerst gewährte Kaiser Valens ihnen das Recht, sich anzusiedeln. Das politisch und militärisch immer schwächer werdende Römische Reich brauchte die Westgoten als Schutzmauer gegen die anrückenden Hunnen. Sie wurden an den Nordostgrenzen um die Mitte des 4. Jahrhundert als so genannte Foederati angesiedelt.

Unter Kaiser Theodosius wurde 381 das Christentum im Römischen Reich Staatsreligion. Auch die Westgoten waren Christen geworden, allerdings arianischer Prägung und nicht lateinisch-trinitarisch. Der gotische Bischof Wulfila übersetzte die Bibel in die gotische Sprache (Wulfilabibel), die zum einigenden Band der arianischen Germanenstämme wurde. Diese Bibel ist das älteste schriftliche Zeugnis einer germanischen Sprache. Die Arianer anerkannten den Bischof von Rom als obersten Priester, hatten aber theologisch andere Ansichten. Jesus war in ihren Augen Gott untergeordnet. Sie vertraten nicht die Lehre der Trinität.

Die Goten kämpften anfangs Seite an Seite mit den Römern. Sie hofften, dadurch römische Staatsbürger zu werden. Kaiser Honorius (384-423) lehnte ihre Gesuchte aber zweimal ab. Er glaubte nicht an ein friedliches Zusammenleben von Römern und Germanen, wie es ihm Alarich vorschlug. Er unterstellte seinem römischen Feldherrn Stilicho sogar, sich mit dem Goten gegen ihn zu verschwören und ließ ihn hinrichten. Anschließend wurde ein Blutbad unter den gotischen Frauen und Kindern angerichtet. Das war der Anlass zum Kampf um Rom. Die Stadt wurde belagert. Die in Rom lebenden Sklaven verbündeten sich mit den Westgoten. 409 fielen die Kornkammern im nahe gelegenen Hafen von Pontus in die Hände der Germanen. Rom wurde ausgehungert. 410 marschierten Alarichs Kämpfer in Rom ein. Auf sein Geheiß durften Priester nicht angegriffen und Kirchen nicht geplündert oder zerstört werden. Als Tribut für seinen Rückzug forderte Alarich 5.000 Pfund Gold, 30.000 Pfund Silber, 4.000 seidene Gewänder, 3.000 rot gefärbte Häute und 3.000 Pfund Pfeffer.

Sein Ziel, rechtmäßig Landbesitz zu erwerben, hat Alarich nicht erreichen können. Alarich, der im Donaudelta geboren wurde, starb um 410 in Concenza und wurde der Sage nach, sie wurde 300 Jahre nach seinem Tod verbreitet, im Flussbett des Busento begraben.

Alarichs Nachfolger wurde sein Schwager, da er keine eigenen Nachkommen hatte. Athaulf bahnte ein neues Königtum an, indem er die Schwester von Kaiser Honorius, Galla Placidia, gegen den Willen ihres Bruders heiratete. Nach der Hochzeit trug Athaulf römische Kleidung und eroberte Südwestgallien im Jahre 418. Man suchte nach neuen Wegen des Zusammenlebens. 475 wurde das erste gotische Rechtsbuch niedergeschrieben, der Codex Euricia.

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