Die Besiedlung Islands

25. März 2012
Von

Als die Söhne und Enkel Karls des Großen das Frankenreich regierten, machten sich einige Norweger unter der Führung Ingólfur Arnarsons auf den Weg, Island zu besiedeln. Mit ihren schlanken Drachenbooten überquerten sie den rauen Nordatlantik.

Der Gelehrte Adam von Bremen, der am Hof des Dänenkönigs Sven Estridsson um 1060 zu Gast war, hinterließ ein vierbändiges Geschichtswerk über die Inseln und Völker Nordeuropas. Seine Berichte gelten allgemein als zuverlässige Darstellungen und Adam gilt als einer der besten Historiker des Hochmittelalters. Berühmt ist das Werk dadurch, dass es das erste schriftliche Zeugnis über die Entdeckung „Vinlands“, des heutigen Nordamerikas, durch die Wikinger darstellt. Wir erfahren aber auch Details über die Besiedlung Islands. Er hält „Eisland“ für die sagenhafte Insel „Thule“, von der Pytheas von Massilia, ein griechischer Astronom, Mathematiker und Geograph aus dem 4. Jahrhundert v. Chr., spricht. Diesem Forschungsreisenden zufolge liegt eine grüne, fruchtbare und warme Insel im Norden Europas. Schon die antiken Historiker stritten sich darüber, von welcher Insel hier die Rede war. Tacitus bezog die Aussagen auf die Shetland-Inseln.

Im Gegensatz zu ihren Vettern, die mit ihren Langbooten die westeuropäischen Städte und Dörfer plünderten und die Flüsse hinaufzogen und selbst Köln und Paris überfielen, suchte diese Gruppe unter Ingólfur mit Frauen und Kindern Land, das ihnen eine neue Heimat werden könnte. Ähnlich wie zur Zeit der Völkerwanderung, trieben Missernten und Hunger die Menschen fort.

 

Karte Islands von Abraham Ortelius aus dem Jahr 1585

Karte Islands von Abraham Ortelius aus dem Jahr 1585 - Quelle: Wikipedia

Die Insel „Tile“ (d.h. Thule) in der Carta Marina aus dem Jahre 1539. Erstellt von Olaus Magnus (1490-1557). "Islandia" befindet sich auf derselben Karte weiter nördlich.

Die Insel „Tile“ (d.h. Thule) in der Carta Marina aus dem Jahre 1539. - Quelle: Wikipedia

Die Wikinger durchkreuzten die Nordsee und den Atlantik in der Hoffnung, neue Nahrungsquellen und Land zu finden. Die Menschen Westnorwegens entdeckten die Orkney- und Shetland-Inseln, Schottland, Irland und die Färöer-Inseln. Sie wagten sich immer weiter nach Norden. Einmal vom Kurs abgekommen, entdeckte Naddoddr die Ostküste Islands. Er fand seine Nachahmer. Je nach dem, an welchem Küstenstreifen sie anlandeten, erhielten die Bewohner in der Heimat unterschiedliche Nachrichten. Die einen klagten über Eis und Schnee, die Getreideanbau und Viehwirtschaft unmöglich sein ließen, andere priesen das Grüne mit seinen geheimnisvollen heißen Quellen und sprachen über die fischreichen Gründe vor der Küste. Sie frohlockten, „Butter triefe von jedem Halm“ der fetten Wiesen.

874 gilt als das Gründungsjahr Islands. Ingólfur Arnarson landete mit 200 seiner Gefolgsleute in der Rauchbucht „Reykjavik“, der heutigen Hauptstadt. Nach alter Wikinger Sitte soll er seinen Häutlingshochstuhl ins Wasser geworfen haben. Dort an der Küste, wo er angeschwemmt wurde, sollte seine neue Siedlung entstehen.

Sicher sind sie nicht mit einem schnellen Drachenboot mit Rudern und Riemen gekommen, sondern mit einem kaupskip, das langsamer und stabiler war und somit Waren und Tiere mitnehmen konnte. Dieser Schiffstyp wurde vor allem für den Handel eingesetzt. Diese Schiffe waren breiter, hochbordiger und wurden nicht nach Ruderern, sondern nach der Tragfähigkeit eingeteilt. Diese wurde in Læst ausgedrückt, wobei ein læst etwa 2 Tonnen entsprach. Sie waren weniger auf das Rudern hin ausgerichtet, sondern eher auf das Segeln. So hatten sie nur vorn und achtern Riemenlöcher, nicht aber mittschiffs. Dort war freier Raum für die Fracht. Bei den meisten stand der Mast fest und war nicht umlegbar. Später, am Ende des 13. Jh., nannte man sie Busse, die praktisch Überseeschiffe waren und Routen nach England, den Färöern und nach Island unterhielten.

Nach der Ankunft Ingólfurs kamen in den nächsten 60 Jahren etwa 20.000 Siedler ins Land. In den folgenden 200 Jahren waren es dann 70.000. Die Häuptlingsfamilien hatten Sklaven keltischer Herkunft mit sich gebracht. Die keltische Erbsubstanz lässt sich noch heute durch genetische Untersuchungen bei einigen Isländern nachweisen, aber auch Besonderheiten der isländischen Sprache sind auf das Gälische zurückzuführen.

Die Auswanderer unterwarfen sich keinem König im fernen Skandinavien, sondern gründeten den ersten Freistaat im Mittelalter, noch vor der Schweiz. Nur Europa war fern, unsere Geschichtsbücher nehmen wenig bis keine Notiz davon.

Die Isländer nannten sich selbst Godeländer. Langsam entwickelte sich der Trend zu einer Vereinigung aller Godentümer mit einer einzigen Generalversammlung. Dafür brauchte es ein Regelwerk. Die Goden sandten den weisen Úlfljótur nach Norwegen, um dort Anregungen für entsprechende Regelungen zu sammeln. Nach drei Jahren kehrte er erfolgreich zurück. Er war der erste Gesetzessprecher Islands. Im Jahre 930 fand die erste Versammlung des Althing in Þingvellir statt. Die Übersetzung des Ortsnamens heißt bezeichnenderweise: Versammlungsebene. Das Althing war eine jährlich tagende Versammlung der Goden, d.h. freien Männer, des Landes, die für Gesetzgebung und Rechtsprechung zuständig war. Jedes Frühjahr trafen sie sich auf der Bergebene und bauten für eine Woche Zeltbuden auf. Wer einen Rechtsfall zu besprechen hatte, sammelte so viele wehrfähige Männer wie möglich um sich, um im Notfall sein Recht mit Gewalt durchzusetzen. So ist es belegt für den Streitfall von 978, als die Bauern Thorstein und Steinar in tödlichem Konflikt um Weideland aufeinander losgingen.

Ein weiteres Bild zeigt den Thingvellir Almanagja [Link zum Bild in Wikipedia] . Es zeigt, wie der Felsen des ersten Althing heute aussieht. Stolz steht auf ihm die isländische Fahne. Er ist vergleichbar mit der Rütli-Wiese der Schweizer, auf der der Schwur der Eidgenossen stattgefunden haben soll. Das Althing war erster Treffpunkt der Versammlung aller freien Männer (Goden). Frauen und keltische Sklaven, die die Wikinger nahmen, waren zum Althing nicht zugelassen. Nur die freien Goden, die Besitzer von Gehöften, trafen sich hier. In der Schweiz war es ähnlich. Es gibt Kantone, die erst um 1980 das Frauenwahlrecht einführten. Parallelen zum Althing sind im antiken Griechenland zu finden. Das Demokratieverständnis der frühen Isländer ist nicht mit dem heutigem vergleichbar.

© Thalassa von Kerygma

Tags:

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *