Der große Tag

25. März 2012
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Es war eine sternenklare Nacht. Die Wärme vom Tag war kaum mehr spürbar. Die Dunkelheit hüllte den jungen Mann immer mehr ein. Er saß auf einem Moos bewachsenen Stein und war völlig in Gedanken versunken. Sein Blick war gen Himmel gerichtet. Eigentlich hätte er das Sternbild erkennen müssen. Der große Bär war deutlich zu sehen. Aber Dietmar sah dies alles nicht. Auf den morgigen Festtag hatte er sich seit Wochen vorbereitet. Alle Augen bei Hofe würden auf ihn gerichtet sein.

Der große Bär

Das Sternbild Grosser Bär aus dem Sternatlas von Johann Elert Bode von 1782 - Quelle: Wikipedia

Er schrak auf. Was war das für ein Geräusch? Angespannt schaute er um sich. Und da sah er auch schon eine Maus zu seinen Füßen. Genauso schnell, wie sie erschien, war sie auch wieder weg. Sein Blick wanderte wieder zum großen Bär. Bereits als Junge hatte er mit seinem Vater die Sternenkarten studieren dürfen. Die Bedeutung all dessen hatte er damals nur schwer begreifen können. Aber diese sieben Sterne hatte er schon damals schnell am Firmament entdeckt.

Sternkarte

Sternkarte von Frederik de Wit (niederländischer Kartograf) aus dem 17. Jahrhundert - Quelle: Wikipedia

 Was hätte sein Vater gesagt, wenn er den morgigen Tag hätte miterleben dürfen? Er wusste es nicht. Es war gerade mal fünf Jahre her, er selbst war gerade dem Knabenalter entwachsen, als sein Vater auf die Jagd ging. Es war ein Schauspiel, bei dem Braunbären zur Strecke gebracht werden sollten. Die Schonfrist stand kurz bevor und so wollte der ganze Hof daran Teil haben. Die ganze Gruppe brach also auf und es verging nicht viel Zeit, bis sie eine Fährte fanden. Er erinnerte sich genau daran, dass sein Vater bei solchen Gelegenheiten immer ganz vorne in erster Reihe zu finden war. So muss es wohl an diesem Tage auch gewesen sein. Tief im dunklen Wald stand er dem Bären gegenüber. Dieser, schon in die Enge gedrängt, muss ihn in wilder Raserei direkt angegriffen haben. Wehmütig erinnerte er sich noch an den Boten, der die Nachricht überbrachte. Sie mussten ihn auf einen Stuhl setzen, weil ihm die Beine versagten. So tief saß ihm der Schreck noch in den Knochen. Er berichtete, dass die herbei geeilte Schar nichts mehr hatte ausrichten können. Selbst der Bär hatte entkommen können in dem Getümmel.

Bärenhatz, Augustin Hirschvogel

Bärenhatz, Radierung von Augustin Hirschvogel ca 1520-1553 - Quelle: Wikipedia

 Laut seufzte Dietmar auf. Wenn es denn nur schon morgen wäre. In Gedanken ging er noch einmal alles durch. Auf dem Wasserschloss war es nun Brauch, dass an hohen Feiertagen sich die jungen Ritter im Wettstreit maßen. Aber anders als an den Tagen der Ritterturniere waren die Gefahren körperlicher Natur weitaus geringer. Aber der Minnesang bot so seine eigenen Tücken. Die Regeln der Dichtung mussten beachtet werden. Mochte die Menge die Werke, so wurden die Vortragenden umjubelt und geachtet. Er war nun so kühn gewesen, etwas selbst Verfasstes vorzutragen. Um was ging es in seinem Werk nur? Er konnte sich kaum daran erinnern. Um Frauen, das war klar. Es ging doch immer um Frauen. Auch meinte er sich zu entsinnen, dass er ein Tier erwähnt hatte. Nur welches? Einen Marder vielleicht? Hmmm. Nein. Ah. Der Falke war es. Er war sich sicher. Besser war es wohl, dass er sich gleich auf den Weg nach Hause machte, um dort ein weiteres Mal seine Aufzeichnungen anzuschauen.

Dietmar von Aist (Codex Manesse)

Codex Manesse, Dietmar v. Aist: Sortiment Almosenbeutel - Quelle: Wikipedia

 Mit einem letzten Blick auf den großen Bären am Himmel drehte er sich um. Er war fest entschlossen. Morgen sollte sein großer Tag werden. Auch war er sich sicher, dass sein Vater auf ihn stolz gewesen wäre. Mit frischer Zuversicht schritt er mit großen Schritten nach Hause.

 

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One Response to Der große Tag

  1. Thalassa
    30. März 2012 at 19:10

    Sehr spannend und phantasievoll. Da möchte man mehr hören über den großen Tag, der dem jungen Mann bevorsteht. Wird es seine Schwertleite sein? Wird er zum Ritter geschlagen?

    Gefällt mir sehr gut, Frau Landrichterin.

    Thalassa

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