Harald Schönhaar

13. Mai 2012
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Harald Halvdansson war mitnichten Meisterbarbier am Hofe eines Wikingerfürsten – er ist der erste König mit dem Namen Harald, der zudem den größten Teil der Küste Norwegens sich botmäßig machen konnte. Geboren wurde er um 852 als Sohn des Königs Halvdan Svarte (der Schwarze) im norwegischen Ostland von dessen zweiter Frau Ranghildr, Tochter des Königs von Ringerike in Südnorwegen.

Von Harald ist wenig Sicheres überliefert – das meiste ist “Herrscherlob ohne historische Relevanz”. Snorri berichtet zwar, Harald habe viele Skalden um sich versammelt, deren Gedichte im Volk (noch immer) bekannt seien, aber er kann nur wenige Gedichte oder Skalden benennen. Immerhin lebt er fast 400 Jahre nach Harald. Vermutlich hat erst der Nachfolger Olav der Dicke, der bald nach seinem Tode in der Schlacht von Stiklestad zum Märtyrer und Heiligen stilisiert wurde, Dichter und Sänger in größerer Zahl um sich geschart. Die regierungsfreundliche Königschronik “Fagrskinna” aus dem frühen 12. Jhdt. weiß nur, daß Harald der Stammvater des norwegischen Königshauses und der erste Reichskönig war. Beides ist “nicht ganz” richtig, sondern dem Vorbild des Frankenreiches mit einigenden Merowingern und konsolidierenden Karolingern nachgebildet.

Harald Schönhaar

Flateyjarbók; Harald Schönhaar erhält das Königreich aus der Hand seines Vaters (Quelle: Wikipedia)

Mit der Schlacht am Hafrsfjord und dem Sieg Haralds begann der Einigungsprozeß Norwegens. Vor Harald hatten Kleinkönige und Häuptlinge neben einem mächtigen Landadel die Macht in relativ überschaubaren Gebieten, außerdem aber auch das dänische Wikingerreich am Oslofjord. Schon damals war die bewaffnete Auseinandersetzung das letzte Mittel, die eigenen Interessen zu wahren. Vorher versuchte man, auf friedlichem Wege zu einer Einigung zu kommen. Harald nutzte ein Machtvakuum bei der damaligen Großmacht Dänemark (große Feldzüge nach England banden die Kräfte, außerdem gab es Thronfolge-Streitigkeiten), um sein Gebiet in den Opplanden nördlich des Oslofjords zu erweitern. Möglicherweise hat er sich seinen Einfluß auf der Halbinsel von Stavanger und die Seefestung im Hafrsfjord mit einer “Vergleichsehe” erheiratet. Mehrere Kleinkönige, die ihre relative Selbständigkeit als Vasallen von Dänemark behalten wollten und nicht Harald als Oberherren anerkennen, zogen von Süden mit einer Flotte gegen Harald vor. Beide Schiffsverbände waren gewaltig; Harald konnte 110 Schiffe mit 5500 Mann aufbieten und seine Gegner müssen sich mindestens gleich stark gefühlt haben.

Mit dem Sieg in dieser Seeschlacht gewann Harald ein reiches, landwirtschaftlich prosperierendes Herrschaftsgebiet hinzu. Die unterlegenen Könige und Häuptlinge waren ihm nun tributpflichtig und außerdem erklärte er den Boden auch der freien Bauern für Lehen, für das er Abgaben forderte. Ein allgemeines Recht konnte er noch nicht setzen, aber die Anfänge des Gulathings gehen sicher auf ihn zurück. Harald hat nicht die Herrschaft über ganz Norwegen errungen – das hat er vermutlich auch gar nicht vorgehabt -, aber er hat den Prozeß der Einigung angestoßen. Der Beiname “Schönhaar” (nor.: Harfagre) kommt in der zeitgenössischen Skaldendichtung nicht vor – Snorri erfindet ihn. In Anlehnung an die Überlieferung von der langen Mähne Chlodwigs, des fränkischen Reichseinigers, fabuliert er eine Legende mit biblischen Motiven: das ungebändigte lange Haar des Fürsten sei nach der siegreichen Schlacht am Hafrsfjord erstmalig gekämmt worden. Auch bei Samson lag die Kraft in den langen Haaren.

Wie viele Söhne Harald, der mindestens zwei Ehefrauen hatte, ihren Vater nennen dürfen, ist strittig. Die nordischen Geschichtsschreiber des 11. und 12. Jhdts. haben da einiges geschönt, um eine ungebrochene dynastische Kontinuität im Königtum behaupten zu können. Auch etliche Usurpatoren hatten sicher großes Interesse, über eine sagenhafte Ahnfrau mit dem sagenhaften ersten König verwand zu sein, um ihre Herrschaft zu legitimieren. Von den in einem sehr frühen Gedicht erwähnten neun Söhnen kennt man gar nicht alle Namen – nur vier bis fünf. Alle höheren Angaben darf man getrost ins Reich der Sage verweisen. Harald starb 932/933 im Frieden (und nicht im Kampf) und hatte zuvor bereits seinen Sohn Erik aus der Ehe mit Ragnhild  Eiriksdottir (von Jylland?) als einzigen Nachfolger und Erben benannt. Dies entsprach ganz und gar nicht dem damaligen Erbrecht – alle Söhne hätten zu gleichen Teilen am Erbe beteiligt werden müssen. So kam es schon zu Lebzeiten des Vaters zu Kämpfen unter den Söhnen. Aber Erik I. “Blutaxt” setzte sich durch. Vermutlich zeugt sein Beiname von der Art und Weise, wie er sich gegen seine Brüder durchgesetzt hat… Er war mit Gunnhild von Dänemark, einer Tochter Gorms des Alten, verheiratet, der auf diese Weise die Position Dänemarks in Norwegen zu stabilisieren hoffte. Erik hielt sich allerdings nur zwei Jahre, nachdem er zuvor drei Jahre mit seinem alternden Vater zusammen regiert hatte.

© Amhara zu Agorá

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