Tanne

18. Dezember 2016
Von

Heil- und Nutzpflanzen
Die Tanne ist seit der “Erfindung” des Christbaums sprichwörtlich geworden. Aber erst seit etwa dem 19. Jahrhundert hat sich der Brauch, zu Weihnachten einen echten Baum als Lichterträger in geschlossenen Räumen aufzustellen, von Deutschland aus über die ganze Welt verbreitet. Als Christbaum werden meist Nordmann-Tannen genutzt – aber auch Fichten und Kiefern können so herausgeputzt werden. “Tanne” bedeutet im Deutschen nämlich mehr als nur die einheimische Weiß-Tanne. Sogar Kiefern können “Tanne” genannt werden, zum Beispiel in Ostfriesland, wo Tannen nie vorgekommen sind – und in Ortsnamen eingehen.
Zu den Tannen gehören mindestens vierzig Baumarten. Allesamt sind sie immergrüne Nadelbäume. Und sie sind “windblütig” – nicht Insekten verteilen die Pollen, sondern der Wind. Sämtlich kommen die Tannen in der gemäßigten Zone der Nordhalbkugel und dort meist in Gebirgsregionen vor. Nach den Kiefern sind Tannen die am weitesten verbreitete und artenreichste Gattung in der Familie der Kieferngewächse. In Mitteleuropa ist die Weiß-Tanne heimisch.
Die Europäische Weiß-Tanne gilt als größter Baum des Kontinents. Einzelne Giganten können 65 Meter hoch werden. Diese Riesen haben entsprechend starke Stämme mit einem Umfang von mehr als neun Metern (Durchmesser über drei Meter).
Alle Tannen-Arten wurzeln tief und bilden einen geraden, säulenförmigen Stamm. An dieser durchgehenden Hauptachse sitzen die Zweige in Etagen und bilden eine sehr harmonische Krone. Normalerweise haben Tannen keine verweigte Krone. Durch Sturm, Schneelast oder ähnliche Unfälle kann der Leittrieb aber abbrechen. Diese Verletzung versucht der Baum dann zu kompensieren, indem die obersten Seitenäste anschließend in die Vertikale streben. Er bleibt aber dauerhaft geschwächt. Im Alter entwickeln Weiß-Tannen eine charakteristische “Storchennest-Krone”: der Leittrieb wächst langsamer als die Seitenäste.
Die leicht biegsamen Blätter sind nadelförmig und sitzen mit einem verbreiterten Fuß direkt auf dem Zweig. Auf der Unterseite können sie zwei hellere Streifen tragen. In ihnen sind die Spaltöffnungen angeordnet, über die der Gasaustausch des Baumes erfolgt. Die “Tannennadeln” können elf Jahre alt werden. Wenn sie dann abfallen, bleibt der Zweig an dieser Stelle kahl – Nadeln wachsen nicht nach!
Tannen verankern sich mit einer Pfahlwurzel im Boden. Zum Wachsen benötigen sie “bessere” Böden, sie besiedeln aber auch schwierige Rohböden.
Die Tannenzapfen finden sich nur in den obersten Zweigen am Wipfel des Baumes. Sie stehen immer aufrecht am Zweig – Fichtenzapfen dagegen hängen. Tannenzapfen zerlegen sich bereits am Baum, nur die Spindel bleibt stehen. Die Samen reifen im Zapfen, sind geflügelt und “fliegen” davon. Fichtenzapfen  können als Ganzes herabfallen und gesammelt werden, Tannenzapfen nicht.
Das relativ leichte und biegsame Tannenholz wird für viele unterschiedliche Anwendungen genutzt. Es ähnelt dem der Fichte und wird meist ohne Unterscheidung mit diesem verkauft.
Es ist weich und hat keinen prägnanten Geruch. Seine Farbe variiert von cremeweiß bis lohfarben. Der Kern unterscheidet sich praktisch nicht vom Splintholz. Als Bau- und Möbelholz für den Innenbereich ist es geschätzt, auch im Instrumentenbau und für Orgelpfeifen wird es gebraucht. Der Turm des Freiburger Münsters trägt im Inneren tausendjähriges Gebälk aus Tannenholz.
Zu Zeiten, als die Schiffe noch aus Holz waren, wurden Tannenflöße nach Holland geführt – die Stämme wurden zu Schiffsmasten verarbeitet.
Im Wasserbau besitzt Tannenholz eine hohe Dauerhaftigkeit. Teile von Amsterdam sollen auf Tannenpfählen stehen.
Tannenholz führt kein Harz und ist gegen Säuren und Alkalien beständig. Daher wird es im Saunabau und zur Behälterherstellung für die chemische Industrie verwendet. Zu Obst- und Gemüsekisten taugt es aufgrund seiner Geruchsfreiheit.
Und wie jedes Holz findet es Verwendung zur Papier- und Zellstoffherstellung.

Tannen sind wichtige Bäume für Landschafts- und Gartengestaltung. Im Schwarzwald und den Alpen sind Tannen ein wichtiges Tourismuselement.
Als klassische Christbäume werden in Deutschland vor allem Nordmann-Tannen in Plantagen angebaut. Außerdem wird von Tannen Schmuckreisig gewonnen.
Aus Tannenreisig werden auch Adventskränze geflochten. Dieser Brauch ist erst jüngeren Datums – er wurde von J.H.Wichern 1838 als eine Art Adventskalender erfunden und war anfänglich gar nicht aus Tannenzweigen, sondern ein hölzernes Wagenrad. Die Katholische Kirche hat diesen ursprünglich evangelischen Brauch erst nach dem Ersten Weltkrieg übernommen.

Die Edel-Tanne aus den nordwestlichen USA wird auch “Nobilis” genannt. Wegen der langen Haltbarkeit ihrer Nadeln liefert sie für die Advents- und Weihnachtsfloristik weitaus am häufigsten das Schmuckgrün. Deswegen wird sie in erster Linie zur Gewinnung von Schmuckreisig angebaut. Weltweit wird sie aber auch als Ziergehölz (Parkbaum) und als Christbaum angebaut.
Die Nordmann-Tanne ist im westlichen Kaukasus und im Ostpontischen Gebirge (Georgien, Russland, nordöstliche Türkei und Aserbaidschan) daheim. Sie wächst in kühl-feuchtem Klima auf tiefgründigen, humosen Lehmböden ab einer Höhe von 400 (Einzelbäume)  bis 2.100 Metern. Dabei bevorzugt sie Nordhänge. Sie ist kalktolerant und bildet Reinbestände oder Mischwälder mit der Kaukasus-Fichte und der Orientbuche.
Wegen ihres tiefgreifenden Wurzelsystems wird die Nordmann-Tanne häufig in Mischwäldern angepflanzt, um diese sturmfester zu machen. In Mitteleuropa leidet sie allerdings unter strengen Wintern und Spätfrost. Das kann sich im Zuge der Klimaerwärmung womöglich ändern.
In Deutschland ist  die Nordmann-Tanne heute die meistgenutzte Baumart als Weihnachtsbaum.

Weiß-Tanne (Tafel aus: "Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz"; 1885; O.W.Thomé; Quelle: BioLib.de)

Weiß-Tanne (Tafel aus: “Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz”; 1885; O.W.Thomé; Quelle: BioLib.de)

Die Weiß-Tanne ist im Alpinen System verbreitet und kommt von den Pyrenäen über das Französische Zentralmassiv und die Alpen bis zum Balkan vor. In Mittel- und Südeuropa ist sie ein Gebirgsbaum, im Nordosten ihres Verbeitungsgebietes gedeiht sie auch im Flachland. Sie ist eindeutig an ausgeglichene, kühle Temperaturen angepaßt. Wichtiger als guter Boden ist für die Weiß-Tanne das Wasser. Mit Trockenstress kommt sie nicht gut klar.  Andererseits gedeiht die Weiß-Tanne in schneereichen Lagen nicht so gut. Ihren Namen hat sie daher,  daß ihre Borke im Vergleich zur (Gemeinen) Fichte auffallend hellgrau ist. Eine herausragende Eigenschaft der Weiß-Tanne ist ihre legendäre Schattentoleranz. Bis zu 100 Jahre können Jungbäume im Schatten älterer Bäume ausharren und dabei kaum wachsen. Sobald der Jungbaum genügend  Licht erhält, endet der überlebenssichernde “Schattenschlaf”. Das Baumwachstum springt unmittelbar wieder an. Ursprünglich hat die Weiß-Tanne Mischwälder mit der Rot-Buche bzw. mit der Fichte gebildet.
Jugendliche Tannen sind sehr gleichmäßig verzweigt. Mit 50 – 70 Jahren werden sie fortpflanzungsreif und blühen im Mai bis Juni.
Der Bestand an Weiß-Tannen hat in den letzten 200 Jahren stark abgenommen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden Tannenbestände komplett abgeholzt und anschließend mit der rascher wüchsigen Fichte wieder aufgeforstet. Das wird inzwischen als forstlicher Fehler angesehen.
An günstigen Standorten stellt die Weiß-Tanne ihr Längenwachstum mit ungefähr 130 Jahren ein und kann bis 800 Jahre alt werden.
Tannen stabilisieren den Bergwald, sie schützen vor Erosion, Hochwasser und Lawinen. Ihre Wurzeln dringen bis drei Meter in die Tiefe – im Extremfall sogar bis zehn Meter.

Bereits seit der Antike wird die Weiß-Tanne als Arznei- und Heilpflanze genutzt. Die hellgrünen Tannenspitzen im Mai – “Maigrün” – sind nicht nur essbar, sondern ein altes Medikament und Hausmittel gegen Husten. Sie enthalten heilsame Enzyme. Man konserviert sie in Sirup.
In Rinde, Nadeln und Zapfenschuppen enthält die Tanne Balsam, ein bekanntes und angenehm harzig riechendes ätherisches Öl. Dieses wird in Badezusätzen oder zu Saunaaufgüssen verwendet.
Das Tannenharz, auch als “Elsässer Terpentin” im Handel, duftet intensiv nach Zitrone und war in vielen Salben und Pflastern enthalten, da es seit dem Altertum für seine entzündungshemmende Wirkung bekannt ist.
Tannenwälder ergeben auch in der Imkerei eine wichtige Bienentracht. Sortenreiner echter Tannenhonig ist eine teure Rarität, denn Tannen “honigen” nicht regelmäßig.

Weltweites Aufsehen erregte im Jahr 2000 die Atlantiküberquerung des Abenteurers und Menschenrechtlers Rüdiger Nehberg. Er hatte einen 17 Meter langen, 350 Jahre alten Weißtannenstamm mit Segeln und Auslegern bestückt. Mit diesem Einbaum segelte er erfolgreich die 2.000 Seemeilen von Mauretanien in Nordafrika nach Brasilien, um auf die Situation der dortigen Indianer aufmerksam zu machen.

© Amhara zu Agorá

Tags: , , ,

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *