Mittelalter for Beginners – Teil 1 – Die Rollenfindung

2. November 2014
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Neu im Hobby Mittelalter?

Viele, die das hier lesen, kennen das Problem vielleicht: Man besucht einen Mittelaltermarkt, ist begeistert und will unbedingt dazu gehören! Dir geht es ganz genau so? Du hast Blut geleckt, willst dabei sein und nicht mehr nur zusehen? Aber du hast nicht den leisesten Schimmer, wie du das anfangen sollst? Du hast keine Ahnung, was du anziehen sollst und was besser nicht? Dann solltest du weiter lesen, denn hier kommen ein paar wichtige Tipps und Tricks zum sauberen Einstieg in die Szene!

Ihr denkt jetzt vielleicht: „Für die paar Märkte, die ich im Jahr besuchen will, tut es sicher irgend eine Klamotte aus irgend einem Internet-Shop.“ Kann man natürlich auch so machen. Aber für diejenigen, die ernst genommen werden möchten, sei dieser Weg nicht angeraten. Meistens macht man sich mit einer ratz-fatz eingekauften „Gewandung“ einfach nur lächerlich. Wenn ihr das nicht möchtet, wählt lieber den längeren Weg! Merke: Erst informieren, dann einkaufen! Spart Zeit und Geld!

Phase 1: Die Rollenfindung

Zu allererst sollte man sich über eine Sache klar werden: was will ich eigentlich?

Will ich nur als Besucher ab und an einen Markt besuchen, aber entsprechend gewandet? Oder weiter in die Szene eintauchen, “richtig” dabei sein und vielleicht auch lagern? Welchen Anspruch stelle ich an meine Ausrüstung? Will ich möglichst originalgetreu sein und korrekte zeitgenössische Kleidung tragen? Oder passe ich besser in die Fantasy-Szene oder in den LARP-Bereich (wobei hier der Anspruch in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist!). Oder hebe ich mir meine Ambitionen doch eher für den Karneval auf?

Beispiele für mittelalterliche Darstellungen mit unterschiedlichem Anspruch

Beispiele für mittelalterliche Darstellungen mit unterschiedlichem Anspruch
aufgenommen auf dem Mittelaltermarkt in Gütersloh 2014
Quelle: eigene Aufnahme (Landrichterin)

Wieviel Zeit, Geld und Aufwand will oder kann ich investieren?

Seid ihr zu dem Schluss gelangt, dass es mehr sein soll als Fasching und Klamauk? Dann solltet ihr weiter lesen!

Zuerst gilt es, Kultur und Zeit einzugrenzen, die ihr darstellen möchtet. Das Mittelalter umfasst einen Zeitraum von rund 1000 Jahren und viele unterschiedliche Kulturen. Und erst wenn man sich hier zumindest annähernd festgelegt hat, kann man über eine vernünftige Gewandung bzw. Darstellung nachdenken! Hier hat es sich bewährt, ab und an ein Buch zum Thema aufzuschlagen, um zumindest einen ganz groben geschichtlichen Überblick zu bekommen. Ein Wikinger sieht anders aus als ein Kreuzfahrer, eine Alamannen-Frau zieht sich grundlegend anders an als eine Bäuerin aus dem Spätmittelalter. Hier kann es auch sehr hilfreich sein, sich auf den Märkten die einzelnen Gruppen genauer anzuschauen und auch anzusprechen. Die meisten Lagergruppen freuen sich über den Kontakt mit Besuchern und geben gerne und bereitwillig Auskunft.

Bei der Rollenfindung sollte man darauf achten, dass die Rolle zu einem passt! Wenn sich “Frau” gerne chic macht, stolz einher schreitet und es eher vornehm mag, dann taugt sie wohl kaum zur Bäuerin. Wer ein Ritter sein will, sollte sich auch entsprechend benehmen können, höfisches Gehabe zählt dann ebenso zur Rolle wie Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit der Waffe. Mag ich es lieber “deftiger”, tauge ich vielleicht eher zum Bauern oder Gaukler… Natürlich gehört zu jeder ernsthaften Darstellung auch ein gewisses Hintergrundwissen. Will ich z. B. eine Kräuterfrau darstellen, sollte ich schon Veilchen und Brennnesseln unterscheiden können. Und ein Ritter, der nicht weiß, wo bei einer Armbrust vorne und hinten ist, macht sich recht schnell lächerlich… Die Entscheidung, welche Rolle nun die richtige ist, ist sicher nicht ganz einfach. Aber je intensiver man sich mit dieser Frage auseinandersetzt, desto glaubwürdiger wird später die gewählte Figur.

Wichtig!

Je einfacher die Darstellung, desto weniger kann man falsch machen! Beginnt mit einer einfachen Darstellung, nicht gleich als Ritter, Graf und Edelfrau! Es gibt kaum eine größere Peinlichkeit, als einen Anfänger, der sich ohne entsprechendes Wissen eine Ausrüstung für den Hochadel zulegt, und keinen Plan hat, was er da eigentlich treibt. Und manch einer hat sich auf diese Art schon in den finanziellen Ruin getrieben… Ebenfalls heikel ist die Darstellung von “Promis”. Selbst alteingesessene Mittelalteraktivisten können sich blamieren, wenn sie versuchen, Kaiser „was-weiß-ich“ darzustellen. Und nicht jede Nonne muss gleich Hildegard von Bingen sein.

Beispiel für ein mittelalterliches Lager auf einem Markt

Beispiel für ein mittelalterliches Lager auf einem Markt
aufgenommen auf dem Ritterfest in Gangelt 2014
Quelle: eigene Aufnahme (Landrichterin)

Merke: Promis sind nur was für Profis!

Mit einer einfachen Figur, beispielsweise einem schlichten Bauern oder Handwerker, Magd oder Kräuterfrau, kann man wesentlich weniger Fehler machen. Und wenn die Gewandung annähernd korrekt gewählt ist, erntet man mit so einer Darstellung oft wesentlich mehr Respekt bei Besuchern und Darstellern, als mit einem total danebengegriffenen Ritter oder Edelfrau.

Da die “Basics”, sprich, die Grundausstattung an Gewandung, durch viele Personengruppen ähnlich sind, kann man eine schlichte Darstellung immer weiter ausbauen und die Ausrüstung nach und nach ergänzen. Dies hat zum einen den Vorteil, dass man relativ kostengünstig in die Szene einsteigen kann. Zum anderen kann man an und mit der Rolle wachsen und sich entwickeln. Die Entscheidung, welche Darstellung man schlussendlich anstrebt, fällt wesentlich leichter, wenn man schon eine gewisse Zeit in der Szene unterwegs ist.

Soviel für den Anfang. Wer sich bis hierher durchgekämpft hat, darf sich mit Phase 2, den „No-Go’s“, auseinandersetzen!

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2 Responses to Mittelalter for Beginners – Teil 1 – Die Rollenfindung

  1. Angela Marx-Siebdrath
    2. Februar 2015 at 10:32

    Seyed gegrüßt,
    Ich habe gerade freudig eure interessanten Beiträge entdeckt und möchte mehr wissen.
    Könntet ihr mir Literatur empfehlen zur Gewandung
    - eines Ehemannes und einer Ehefrau
    - eines Kaufmanns und einer Heilerin
    Alles so ca. im 2. Drittel des Mittelalters?
    Ich freue mich sehr über eure Antwort.
    Habet einen schönen Tag.
    Angela

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