Die Wicken

17. August 2014
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Heil- und Nutzpflanzen

Nicht alles, was “Wicke” heißt, ist auch eine – die Gartenwicke zum Beispiel ist eigentlich eine “Duftende Platterbse”, was kein guter Name ist für eine beliebte Zierpflanze; dafür ist die “Dicke Bohne” eine Wicke…
Die ungefähr 160 Wicken-Arten kommen hauptsächlich in den nördlichen gemäßigten Breiten vor. Die Pflanzengattung der Wicken gehört zu den Hülsenfrüchtlern und innerhalb dieser Pflanzenfamilie zu den unverwechselbaren Schmetterlingsblütlern. Viele Wickenarten besitzen Wickelranken, mit denen sie an anderen Pflanzen emporklettern. Die charakteristischen Blüten stehen einzeln oder zu wenigen in den Blattachseln oder aber bilden traubige Blütenstände. Es kommen alle Blütenfarben vor. Die abgeflachte Hülsenfrucht enthält zwei bis acht Samen.

Ackerbohne (aus: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; O.W.Thomé; 1885 Quelle: BioLib.de)

Ackerbohne (aus: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; O.W.Thomé; 1885 Quelle: BioLib.de)

Die Ackerbohne – auch Dicke Bohne, Pferdebohne, Puffbohne oder Saubohne genannt
Die Wildform der Ackerbohne ist nicht bekannt, sie kommt heutzutage nur als Kulturpflanze vor. Frühe Formen der Dicken Bohne waren weniger üppig. Erstmalig hat man Ackerbohnen in einer Steinzeitsiedlung bei Nazareth ausgegraben, die etwa 8.000 Jahre alt ist. Ob diese Samen bereits der Kulturform angehören oder “noch” Wildsamen sind, ist bislang nicht geklärt. Erst aus Ausgrabungen des Vorderen Orients ab etwa 5.000 Jahren findet man vielfach Ackerbohnen. Deshalb dürfte die Wildform ebenfalls aus dieser Region stammen.

In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung entwickelte sich ein Anbauschwerpunkt der Ackerbohne an der Nordseeküste, da sie als einzige Hülsenfrucht auf salzigen Böden in Küstennähe gedeiht. Sie braucht viel Wasser und ist nicht frostempfindlich. Im Mittelalter ist sie eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Zusammen mit anderen Hülsenfrüchten sicherte sie die Versorgung der Bevölkerung mit Proteinen – Fleisch war für viele unbezahlbar und ein seltener Luxus. Ab dem 17. Jahrhundert wird die Ackerbohne durch die aus Amerika eingeführten Gartenbohnen und Feuerbohnen verdrängt.
Die Ackerbohne ist ein einjähriges Kraut, das bis zwei Meter Höhe erreichen kann und eine bis einen Meter tief reichende Pfahlwurzel ausbildet. An Haupt- und Seitenwurzeln sitzen zahlreiche Wurzelknöllchen, in denen symbiotische Bakterien leben, die die Eigenschaft haben, molekularen Stickstoff zu binden und für die Pflanze verfügbar zu machen.
Der aufrechte Stengel ist vierkantig, hohl und kahl. Die paarig gefiederten Laubblätter haben keine Ranke.
Die Ackerbohne blüht im Mai und Juni mit 1 – 6 relativ großen, duftenden Blüten pro Blattachsel. Die fünf Kronblätter sind weiß, die Flügel tragen ein dunkel-purpurnes Saftmal. Die Hülsenfrüchte werden bis 20 cm lang und bis 3 cm dick. Sie sind kahl und werden bei Vollreife braun-schwarz. Die zwei bis sechs Samen sind je nach Sorte unterschiedlich geformt und gefärbt.
Neben der Nutzung zur Nahrung und als Viehfutter wird die Ackerbohne auch zur Gründüngung angebaut. Für den menschlichen Verzehr sind die Hülsen nur sehr jung geeignet, die Samen allerdings – getrocknet und dann gekocht – sind es sehr wohl. Ackerbohnen-Mehl kann Getreidemehlen zur Erhöhung der Triebkraft zugesetzt werden.
Allerdings ist die Ackerbohne giftig. Vorwiegend afrikanischen und afroamerikanischen Menschen kann ein Enzym fehlen (G6PD-Mangel), was eine chronische Anämie zur Folge hat. Der Genuß von Bohnen, Erbsen, aber auch Johannisbeeren kann diese Anämie im Extremfall zur Hämolyse steigern, was in seltenen Fällen zum Tode führen kann. Deswegen müssen Menschen mit dieser genetischen Disposition – wie andere Allergiker auch – immer auf diese Auslöser verzichten. Auch im Tierfutter dürfen Ackerbohnen nur zu einem bestimmten Prozentsatz enthalten sein, je nach Tierart, Lebensalter und geplanter Verwendung.

Die Acker-Wicke – botanisch “Rauhaarige Wicke” genannt
Dies ist eine krautige Wildpflanze, die bis 60 cm hoch wird. Wenn sie keine Rankhilfe findet, kriecht sie entsprechend weit. Ihre Laubblätter sind in bis zu sechzehn Paar Fiederblättchen unterteilt und haben an der Spitze eine Ranke. Die Acker-Wicke bildet im Juni und Juli einen traubigen Blütenstand mit bis zu zehn weißen Blüten aus, die meist blau geädert sind. Auch die Hülse, in der zwei linsenförmige Samen enthalten sind, ist weich behaart; zur Reife wird sie schwärzlich.
Dieses Wildkraut bevorzugt eher trockene Standorte und scheint kalkhaltige Böden zu meiden. Es ist in Europa, Afrika und Asien weit verbreitet. Im Ökolandbau kann die Acker-Wicke, wenn sie massenhaft auftritt, den Ertrag mindern und die Ernte behindern.
Heutzutage werden die linsenähnlichen Samen nur in Hungergebieten gesammelt und gegessen – so etwa in Äthiopien -, aber man hat sie auch in Europa verzehrt. Die in den Samen enthaltenen Gifte, die vor Freßfeinden schützen sollen, lassen sich durch Einweichen und Kochen weitgehend unschädlich machen.

Die Futterwicke, auch Saat-Wicke genannt

Futterwicke (aus: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; 1885; O.W.Thomé; QUelle: BioLib.de)

Futterwicke (aus: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz; 1885; O.W.Thomé; QUelle: BioLib.de)

Dies ist eine seit der Jungsteinzeit in Mitteleuropa eingebürgerte Art, die vorwiegend als Futterpflanze genutzt wird. Sie wanderte mit und im Getreide aus dem Mittelmeergebiet nach Mittel- und Nordeuropa. Das einjährig wachsende Kraut wird bis 80 cm hoch. Die Laubblätter sind in zwei bis acht Paar Fiederblättchen unterteilt und tragen an der Spitze eine mehrfach geteilte Ranke. Die einzeln oder paarweise in den Blattachseln stehenden recht großen Blüten sind purpurn bis violett gefärbt und werden von vielen Insekten angeflogen. Sie erscheinen von Juni bis August. Die Hülsen enthalten vier bis zwölf kugelige Samen von sehr unterschiedlicher Färbung. Sie werden bei Reife braun bis schwärzlich (je nach Unterart) und stehen relativ aufrecht. Die Futterwicke bevorzugt nährstoffreiche Böden. Schon in der römischen Antike wurde sie als Futterpflanze feldmäßig angebaut, und zwar für Pferde und Tauben.
In Notzeiten wurden auch diese Wickensamen für die menschliche Ernährung genutzt. Die enthaltenen Bitterstoffe können durch Aufkochen in Salzwasser, das man anschließend wegschütten muß, entfernt werden. Die Wicken-typischen Giftstoffe Vicin und Convicin können durch Einweichen sehr reduziert werden, sie sind aber hitzebeständig.

Die Vogel-Wicke
Diese Wickenart ist mehrjährig und erreicht Wuchshöhen bis 120 cm. Wie alle Wickenarten beherbergt sie in ihren Wurzelknöllchen stickstoffsammelnde Bakterien und trägt so zur Bodenverbesserung bei. Die Laubblätter gliedern sich in bis zu zwölf Paar schmale Fiederblättchen und tragen an der Spitze eine verzweigte Ranke.
Die Vogel-Wicke blüht von Juni bis August blauviolett bis purpurn in einem traubigen Blütenstand. Die bis zu 40 Blüten stehen dabei dicht zusammen. Bis Oktober werden die kugeligen Samen reif. Obwohl Vogel-Wicken reichlich Pollen und Nektar anbieten, werden sie eher selten von Honigbienen aufgesucht. Erdhummeln betätigen sich als Nektarräuber, indem sie die Blüte einfach aufbeißen, wenn ihr Gewicht nicht ausreicht, um die Blüte “ordentlich” zu öffnen.
Als Beimengung im Saatgut hat sich die Vogel-Wicke inzwischen aus ihrem eurasischen Herkunftsgebiet weltweit verbreitet. Dabei bevorzugt sie tiefgründige reiche Lehmböden.
Die Vogel-Wicke wurde als für den Menschen ungenießbar “den Vögeln überlassen” – daher der Name. Wie alle Wickenarten enthält sie in den Samen Vicin und Convicin.
Sehr ähnlich ist die Zottige oder Sand-Wicke, die im “Landsberger Gemenge” zur Grünfuttergewinnung eingesetzt wird. Am ehesten kann der Laie sie von der Vogel-Wicke durch ihre Behaarung unterscheiden.

Die Zaun-Wicke
Dies ist eine in Mitteleuropa verbreitete und häufig vorkommende eiweißreiche Futterpflanze, die deswegen auch in Saatmischungen für Dauerwiesen und Weiden enthalten ist. Das mehrjährige Kraut wird 30 – 50 cm hoch und kann sich in der Wiesen- oder Feldrain-Lebensgemeinschaft durch seine Ranken senkrecht halten. Es bevorzugt nährstoffreiche Böden. Die in vier bis acht Paar Fiederblättchen gegliederten Laubblätter enden in einer Ranke. Die Zaun-Wicke bildet einen traubigen Blütenstand in rotviolett bis trübblau, selten gelblichweiß oder reinweiß. Sie blüht im Mai und Juni, teilweise bis in den August. Nur kräftige Hummeln können die Blüte öffnen, weswegen schwächere Insekten Honigraub begehen, indem sie die Blüte einfach aufbeißen.
Die Hülsenfrüchte enthalten  meist drei bis sechs kugelige Samen mit  3 – 4 mm Durchmesser; die vollreifen Hülsen sind glänzend schwarz. Außer durch Samen vermehrt sich die Zaun-Wicke auch durch Ausläufer.
Auch die Zaun-Wicke bildet Wurzelknöllchen aus, in denen stickstoffsammelnde Bakterien leben, und trägt so zur Bodenverbesserung bei.

© Amhara zu Agorá

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