Simeon I., Zar von Bulgarien – letzter Teil

20. Januar 2013
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Bis 915 hat der bulgarische Herrscher die byzantinischen Provinzen Makedonien (damals bei Andrianopel), Thessalonika und Durazzo erobert. Trotz Unterstützung durch serbische Verbände ist die byzantinische Niederlage am 20.08.917 in der (Dritten) Schlacht bei Anchilaos am Schwarzen Meer verheerend. Die Bitte um Frieden weist Simeon zurück und proklamiert sich zum Zaren der Bulgaren und Rhomäer (wie die Byzantiner sich selbst nannten). In einem groß angelegten Kriegszug nach Nord- und Mittelgriechenland erreicht die bulgarische Streitmacht 918 den Golf von Korinth.

Zur selben Zeit erklärt Simeon die Unabhängigkeit der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche, die bislang dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel unterstellt war, und erhebt sie zur Patriarchalkirche. Es dauert allerdings eine Weile, bis der Bischof von Rom und der Patriarch von Konstantinopel diese Unabhängigkeit anerkennen und der Erzbischof von Preslaw den Titel eines Patriarchen zugebilligt bekommt. 927 erkennt das Ökumenische Patriarchat die Unabhängigkeit der bulgarischen Ortskirche an, nachdem der Papst zuvor bereits in dieser Richtung aktiv geworden war. Simeon aber hat  dies nicht mehr erlebt – er stirbt am 27.05.927.

Für die Eroberung Konstantinopels verbündet Simeon sich mit dem Fatimiden-Kalifen Abdallah al-Mahdi, der in Tunesien herrscht und über Schiffe verfügt. Doch obwohl er Konstantinopel mehrfach belagert, kann er die Stadt nie einnehmen. Im Westen orientieren sich die bislang bulgarenfreundlichen serbischen Stämme mittlerweile Richtung  Byzanz. Bis 917 hatte ein fast zwanzigjähriger Friede mit den Serben gehalten.  Simeon greift mit Heeresmacht ein, setzt den Groß-Zupan Pavle Branovic ab und Zaharije Prvolavljevic ein. Auch der neigt eher Byzanz zu. 924 wird Serbien als Provinz in das bulgarische Reich eingegliedert und Frieden zwischen Bulgarien und Byzanz geschlossen. Weil große Teile der serbischen Bevölkerung nach Kroatien geflohen sind, schließt sich ein zweijähriger Krieg an. Während die Serben noch nach einer Stammesverfassung leben, haben sich die Kroaten bereits staatlich organisiert, ihr oberster Herrscher trägt den Königstitel. Sie sind von Kaiser Herkleios in ihr heutiges Siedlungsgebiet gerufen worden, um beim Kampf gegen die Awaren in der Ungarischen Tiefebene zu helfen. Damals sollen sie in Galizien an der Weichsel gesiedelt haben. Der Name der Kroaten freilich scheint nicht slawisch zu sein – er hat wohl persische Wurzeln. Zur Zeit König Tomislaws fallen die Magyaren (Ungarn), aus Galizien kommend, in die Ungarische Tiefebene ein. Tomislaw verteidigt sein Königreich, das aus Zentralkroatien, Slawonien, Teilen Dalmatiens und Bosniens bestand, erfolgreich gegen das kriegerische Reitervolk. Er hat eine Streitmacht aufgebaut, die nach Angaben im “De Administrando Imperio” des Kaisers Konstantin VII. 100.000 Mann Fußvolk, 60.000 Reiter und 180 Kriegsschiffe umfaßt haben soll. Und Kroatien ist nach wie vor mit Byzanz verbündet…

Im Konflikt mit Kroatien will Papst Johannes X. vermitteln. Durch die Erneuerung der Kontakte zur Kathedra Petri nähert sich Bulgarien der römischen Kirche wieder an – was der Patriarch von Konstantinopel gar nicht gern sieht. Der Papst nämlich ist bereit, Simeon zum Kaiser zu krönen und die Unabhängigkeit der Bulgarischen Kirche anzuerkennen.

Codex Assemanianus

Codex Assemanianus (glagolitische Schrift; Schule von Ochrid; 10. Jhd.; Quelle: Wikipedia)

Nun umfaßt das bulgarische Herrschaftsgebiet ganz Moesien, den größten Teil von Thrakien und Serbien, einen Teil der adriatischen Küste, Thessalien, Sirmium, die Walachei und Transsilvanien. Bulgarien ist die stärkste Macht auf dem Balkan. Simeons Regierungszeit wird später das “Goldene Zeitalter Bulgariens” genannt werden. Zu seiner Zeit entfaltet sich eine umfassende profane und sakrale Bautätigkeit. Die “Schule von Preslaw” entwickelt die erste slawische Schrift und trägt damit grundlegend zur Entwicklung nationaler Identitäten der slawischen Völker bei. Ihre Schreiber, Philosophen und Geographen sind so qualifiziert, daß die bulgarische Hauptstadt Preslaw den Vergleich mit Konstantinopel nicht zu scheuen braucht.

Simeon I. der Große von Bulgarien stirbt während der Vorbereitungen zu einer Belagerung Konstantinopels an einem Herzinfarkt. Auslöser soll die Nachricht von einer verheerenden Niederlage gegen die Kroaten unter König Tomislaw gewesen sein. Die päpstliche Gesandtschaft, die die Anerkennung der autokephalen Bulgarischen Ortskirche durch den Bischof von Rom mitbringt und den bulgarischen Zaren zum Kaiser krönen soll, trifft erst im Sommer in Preslaw ein. Noch später, am 08.10927, erkennt auch Byzanz den bulgarischen Fürsten als Kaiser an und akzeptiert die Unabhängigkeit der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche. Zudem verpflichten sich die Byzantiner, Tribut an Bulgarien zu zahlen. Dieser Friede wird fast 50 Jahre halten.

© Amhara zu Agorá

 

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