Der “Gemeine Lein” ist eine alte Kulturpflanze, die zur Faser- und zur Ölgewinnung angebaut wird. Er ist die einzige Lein-Art von ungefähr 200, deren Anbau eine wirtschaftliche Bedeutung hat. Dafür aber ist dieser Lein “sehr nützlich” (usitatissimum) und wird vielfältig verwendet. In der Praxis wird Faserlein und Öllein unterschieden.
Die Bezeichnung “Flachs” leitet sich von “flechten” ab, denn die Pflanzenfasern werden nach dem Spinnen zu Stoffen verwebt.
Der Gemeine Lein ist nur aus Kultur bekannt und tritt nur selten verwildert auf. Er stammt vom Zweijährigen Lein ab, der im Mittelmeergebiet heimisch ist. Diese Art wurde in Mesopotamien ab der frühen Jungsteinzeit (ab 7.500 v. Chr.) kultiviert. Damit gehört Flachs (zusammen mit Gerste, Weizen, Linsen und Erbsen) zu den fünf frühesten Agrarpflanzen des eurasischen Kulturkreises. Neben dem geschichtlich jüngeren Öl aus Hanf und Mohn ist er die einzige historische Ölpflanze Europas. Die ältesten archäologischen Leinsamenfunde stammen aus Ali Kosh im Iran (7500–6700 v. Chr.) und aus Çayönü in der Südosttürkei (rund 7000 v. Chr.). Diese Leinsamen sind jedoch so klein, dass sie dem Zweijährigen Lein zugeordnet werden. Die Entstehung des Gemeinen Leins dürfte in Mesopotamien oder Ägypten erfolgt sein. Genetische Studien konnten zeigen, dass eine einzige Mutation genügt hat, den Gemeinen Lein vom Zweijährigen Lein abzugrenzen. Zu Beginn der Nutzung kam es, diesen Untersuchungen zufolge, den Menschen auf die Samen an.
Die ältesten Funde der Faserverarbeitung finden sich im Fruchtbaren Halbmond bereits vor der Entwicklung der gebrannten Keramik (8. vorchristliches Jahrtausend). Die ältesten Leinenstoffe aus Oberägypten datieren vom Beginn des vierten vorchristlichen Jahrtausends.
Fast zeitgleich kam der Flachs mit der Bandkeramikkultur (ca. 5700 bis 4100 v. Chr.) nach Mitteleuropa. Er wurde auf den Lößflächen nördlich der Donau bis nach Nordfrankreich angebaut.
Die einjährige Pflanze erreicht eine Wuchshöhe von 20 bis 100 Zentimetern. Die spindelförmige Pfahlwurzel wird etwa gleich lang wie der Sproß und entwickelt feine Seitenwurzeln. Die ganze Pflanze ist kahl. Die Stengel stehen meist einzeln und sind im Bereich des Blütenstandes verzweigt. Flachs ist eine Langtagpflanze. Wenn die Tageslänge kürzer ist als 14 Stunden, bildet er längere Stengel aus. Daher ist es günstig, Faserlein früher im Jahr zu säen, um auf eine größere Faserausbeute zu kommen – Öllein kann später gesät werden, da die Blütenbildung außer vom Tageslicht auch noch von Standortbedingungen und Sorte der Kultur abhängt.
Die Blätter sind dreinervig, kahl und haben einen glatten Rand. Im Aussehen erinnern sie an Blätter von Gras.
Die Blüten sind groß und messen mehr als zwei Zentimeter im Durchmesser. Die Flachsblüte ist fünfzählig, von hellblauer Farbe mit dunklerer Aderung, selten weiß, violett oder rosa. Meist befruchtet sich der Flachs selbst, obwohl er von Insekten besucht wird. Nach der Befruchtung entwickelt sich eine fünffächrige Samenkapsel mit je zwei Samen. Sie sind flach, eiförmig, glatt, glänzend und hellgelb bis dunkelbraun. Der Ölgehalt der Samen liegt zwischen 30 % und 44 %, abhängig von Sorte, Reifegrad und Umweltbedingungen. Faserlein, der vor der Vollreife geerntet wird, enthält weniger Öl. Hauptfettsäure ist die ungesättigte Linolensäure. Die essenziellen Omega-3-Fettsäuren sind im Leinöl in unerreichter Höhe enthalten. Auch andere essenzielle Aminosäuren sind in großen Anteilen im Leinöl enthalten.
Flachs stellt wenige Bedingungen an den Boden und kommt auch mit wenig Wasser aus – allerdings sollte es im Mai und Juni keine Trockenheit geben. Zwischen zwei Flachsanbauten sollten sechs Jahre Karenzzeit liegen, da sich sonst Schadpilze im Boden zu stark vermehren würden.
Im Mittelalter war Flachs neben Hanf, Nessel und Wolle als Textilfaser wichtig. Im 12. und 13. Jahrhundert war Deutschland der weltweit führende Flachsproduzent. Die Leinenweberei konzentrierte sich auf Schlesien, Schwaben und Westfalen. Im 19. Jahrhundert begann der Niedergang des Flachsanbaus – Baumwolle war billiger und leichter zu verarbeiten.
Vom Flachs ist alles zu gebrauchen – das Öl zum Verzehr, als Bindemittel für Farben, als Rost- und Holzschutz (Leinöl-Firnis), der Öl-Preßkuchen als Viehfutter; die langen Fasern für Textilien und die kurzen für Dämmstoffe, Dichtmittel und für Naturfaser-Verbundstoffe.
© Amhara zu Agorá
Letzte Kommentare