Vanille
Dioskourides kann die Vanille nicht kennen. Sie ist ein Gewürz, das aus den fermentierten Kapselfrüchten („Schoten“) verschiedener Arten einer Orchideen-Gattung gewonnen wird. Von dieser Orchideenfamilie mit ungefähr 110 Angehörigen liefern ca. 15 die aromatischen Schoten. Dabei ist die wichtigste Art natürlich die “Gewürzvanille”. Ursprünglich stammt sie aus Mexico und Mittelamerika. Inzwischen wird sie überwiegend auf Madagaskar und anderen Inseln im Indischen Ozean angebaut. Nach der Eroberung Mexicos durch die Spanier hatten diese das Monopol auf das exquisite Gewürz und hüteten es konsequent: auf die illegale Ausfuhr von Vanillepflanzen stand die Todesstrafe. Daher blieb der Genuß von Vanille den Reichen vorbehalten. Nachdem Mexico 1810 seine Unabhängigkeit erreicht hatte, brach das Monopol; die ersten Stecklinge gelangten in botanische Gärten und die Niederländer begannen, Vanille versuchshalber in Niederländisch-Indien zu kultivieren. Die Franzosen holten ebenfalls Pflanzen nach “Ile Bourbon” (daher “Bourbon-Vanille”), das heutzutage La Réunion heißt. Es entstand eine einträgliche Plantagenwirtschaft.
Die Gewürzvanille ist eine immergrüne Kletterpflanze und erreicht Längen von 10–15 Metern. Das lianenförmige Gewächs wird bis zwei Zentimeter stark. Die kaum gestielten, länglich-ovalen Blätter können bis 25 Zentimeter lang und bis acht Zentimeter breit werden. Jedem Blatt gegenüber entspringt eine Luftwurzel, die die Pflanze am Untergrund (im natürlichen Umfeld meist ein Baum) anheftet und zudem Wasser mit den darin gelösten Nährstoffen aufnehmen kann. Der traubige Blütenstand trägt bis zu fünfzehn, selten auch dreißig weißlich-gelbe duftende Blüten. Sie öffnen sich innerhalb eines Blütenstandes nacheinander und halten nicht lange – nach acht Stunden sind sie bereits verwelkt. Zur Bestäubung ist die Gewürzvanille auf mittelamerikanische Bienen und Kolibris angewiesen. Außerhalb ihrer ursprünglichen Heimat gibt es sie nicht – also trägt sie anderswo auch keine Früchte, es sei denn, sie wird künstlich bestäubt. Natürlich treibt diese Handarbeit den Vanillepreis in die Höhe.
Die Kapselfrucht (umgangssprachlich „Vanilleschote“ genannt) wird bis 25 Zentimeter lang und bis 1,5 Zentimeter stark. Um zu reifen, braucht die “Schote” acht bis neun Monate. Bei der Reife springt sie entlang zweier Schlitze auf und setzt zahlreiche glänzende, dunkelbraune bis schwarze Samen frei. Als Gewürz soll die Schote natürlich nicht geplatzt sein. Die noch wenig aromatischen, satt grünen Schoten werden blanchiert, in praller Sonne getrocknet und dann noch bis zu zwei Monate gelagert, bis sich das volle Aroma entwickelt hat.
Bei Arbeitern, die mit dem Sortieren und Verpacken von Vanille beschäftigt sind, können Hautausschläge, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit auftreten. Gelegentlich reagieren Allergiker sogar auf den Genuß von Vanilleeis und ähnlichen Speisen mit Bläschenbildung auf der Haut und Gesichtsschwellungen. Die für diese Vanilleallergie verantwortlichen Kontaktallergene sind noch nicht gefunden – das Vanillin ist es jedenfalls nicht.
Echte Vanille wird auch als Königin der Gewürze bezeichnet. Aus Preisgründen kann man Vanille durch das künstlich hergestellte naturidentische Aroma Vanillin ersetzten.
Totonaken (Tachiwin), Azteken und Inka verwendeten Vanille, um den “Trank der Götter” zu brauen. Dieses Getränk namens Xocóatl war eine Mischung aus Wasser, Kakao, Mais, Vanille, Cayennepfeffer und etwas Salz. Der Aztekenherrscher Moctezuma II. soll fünfzig Tassen dieser Suppe täglich genossen haben.
Traditionell wird Vanille zur Aromatisierung von Süßspeisen verwendet. Spitzenköche nehmen sie aber auch bei Fisch- und hellen Fleischgerichten, für Krustentiere und raffinierte Salatdressings.
Vanillearten von Tahiti, den Westindischen Inseln und aus Indonesien werden von der Kosmetikindustrie sowie für Spirituosen gebraucht.
© Amhara zu Agorá
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