Herrad von Landsberg

27. Oktober 2013
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Die Mißachtung von Frauen selbst in der neuzeitlichen Geschichtsschreibung läßt sich hervorragend an der Behandlung dieser Äbtissin ablesen – über sie und ihr Werk wird selbst in den Fachlexika geschwiegen…

Herrad von Landsberg   Selbstbildnis aus dem Hortus Deliciarum, um 1180 (Quelle: Wikipedia)

Herrad von Landsberg
Selbstbildnis aus dem Hortus Deliciarum, um 1180 (Quelle: Wikipedia)

Herrad, geboren zwischen 1125 und 1130, entstammte einem elsässischen Adelsgeschlecht, daß seinen Sitz auf Burg Landsberg in der Nähe des Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg hatte. Die Burg Landsberg wurde im Dreißigjährigen Krieg vermutlich von schwedischen Truppen zerstört, die Ruine ist in Teilen zugänglich. Die noch erhaltene Klosteranlage Mont Sainte-Odile, das älteste Frauenkloster im Rheintal, ist der bedeutendste Wallfahrtsort des Elsass.

Kloster Hohenburg, ein Chorfrauenstift, verfügte früh über eine Klosterschule, und Herrad wird bereits als Kind der Obhut des Klosters übergeben worden sein. Kaiser Friedrich I. Barbarossa berief im Jahre 1155 seine Verwandte Relindis als Äbtissin nach Hohenburg, da die Anlage sehr vernachlässigt war. Relindis, die hochgebildet war, sanierte den Konvent und bildete ihre Nachfolgerin Herrad aus. Als Relindis 1167 starb, wurde Herrad zur Äbtissin erhoben.

Auch Herrad war hochgebildet, sie verstand und sprach Latein, sie konnte lesen und schreiben und sie hatte eine profunde Kenntnis des damaligen allgemeinen Wissens.

Herrad von Landsberg schrieb die erste nachweislich von einer Frau verfaßte Enzyklopäde in Europa. Ihr Werk faßt das geistliche und profane Wissen des Hochmittelalters für die Schwestern ihres Klosters in Latein zusammen und war mit 350 Miniaturen illustriert. Das Buch sollte das Basiswissen für die Stiftsdamen sammeln, deren Aufgabe es war, die dem Stift anvertrauten Kinder zu unterrichten. Zu diesem Zwecke sollte es “nützlich und ergötzlich” sein. An diesem Werk hat Herrad mindestens 20 Jahre gearbeitet – eventuell sogar 35 Jahre.

Sie hat ihr Buch “Hortus Deliciarum” genannt, das heißt “Garten der Köstlichkeiten”. Es war ein großer, prächtiger Garten: angelegt auf 255 Pergamentblättern in den Maßen 37×53 cm, aufgelockert duch die Miniaturen und eingestreute Gedichte. Es gibt keine vergleichbare bebilderte Handschrift, die einen so detailreichen tiefen Einblick in das Leben der Stauferzeit gewährt.

Nach dem Niedergang des Klosters Hohenburg gelangte die Handschrift endlich nach Straßburg, wo sie 1870 durch deutschen Beschuß während des deutsch-französischen Krieges mitsamt der Bibliothek verbrannte…

Erhalten geblieben ist eine Abzeichnung von 1818 sowie Arbeiten an Teilen des Hortus Deliciarum, sodaß Kopien der Miniaturen und fast der ganze Text auf die Nachwelt gekommen sind.

Herrad von Landsberg starb am 25.07.1195 und ist wohl auch in ihrem Kloster beigesetzt worden. Allerdings ist über die Lage ihres Grabes nichts bekannt.

© Amhara von Agorá

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