Am 18. Juni 2013 stellte die UNESCO eine Liste mit 54 neuen Einträgen in das sogenannte „Memory of the World“ Register vor. In das Register wurde nun die erste Handschrift aus der Epoche der Klostermedizin, das Lorscher Arzneibuch, aufgenommen.
Das Lorscher Arzneibuch entstand etwa um das Jahr 795 im Benediktinerkloster in Lorsch. Der bzw. die Autoren sind unbekannt. Als mutmaßlicher Autor der später eingefügten Bücherliste von Otto III. wird Leo von Vercelli genannt. Die zeitliche und örtliche Einordnung erfolgte durch Bernhard Bischoff. Der Nachweis gelang ihm anhand der verwendeten karolingischen Minuskelschrift im älteren Stil. Bei der Beschreibung wird oft nicht mit Superlativen gespart. So soll es das älteste heilkundliche Buch des abendländischen Mittelalters sein.
Inhaltlich sind in dem Buch umfangreiche medizinisch-pharmazeutische Rezeptsammlungen, medizintheoretische und –praktische Schriften sowie einige erläuternde Randbemerkungen in althochdeutscher Sprache, welche aus dem frühen 9. Jahrhundert stammen, enthalten.
Bemerkenswert ist vor allem die Einleitung des Lorscher Arzneibuches. In dieser rechtfertigt der Verfasser die Heilkunst gegen die Angriffe der Christen jener Zeit, welche die Heilkunde an sich ablehnten. Diese sei ein Eingriff in den göttlichen Heilsplan. Der Autor leitete aus biblischen Texten ab, dass das Recht bestünde und es sogar eine Pflicht gäbe, Kranken zu helfen. Er verweist darauf, dass die Kenntnisse der Heilkunst durch den Heiligen Geist erlangt sowie Mittel, welche von Gott geschaffen wurden, für die Hilfe verwendet würden. Damit wurden die christlichen Gegner sozusagen mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
Eine weitere Besonderheit ist neben den Nachträgen aus dem 9. und 10 Jahrhundert, welche die Nutzung des Buches dokumentieren, die später nachgetragene Bücherliste. Hieraus geht hervor, dass Kaiser Otto III. etwa 996 bis 1002 im Besitz der Handschrift war. Seit dieser Zeit lässt sich der Weg des Codex gut weiter verfolgen. Der Nachfolger Ottos III., Heinrich II., stiftete die Handschrift der Bamberger Dombibliothek. Kurz zuvor, im Jahre 1007, hatte er sich noch erfolgreich durchsetzen können bei der Gründung des Bistums Bamberg. 1803 ging die Handschrift, aufgrund der Säkularisation, an die Bibliothek Bamberg (die heutige Staatbibliothek) über. Dort verblieb sie bis zum heutigen Tage.
Die Wissenschaftler arbeiten bereits seit vielen Jahren an der 150 Pergamentseiten umfassenden Handschrift. Inzwischen gibt es zahlreiche Aufsätze, Übersetzungen und Reproduktionen. Auch im Netz wird man schnell fündig. Auf der Seite des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen findet man zum Beispiel eine gute Beschreibung der Handschrift. Auch sollte man nicht versäumen, sich das Lorscher Arzneibuch selbst auf der Seite der Staatsbibliothek Bamberg anzuschauen. Die wissenschaftliche Beschreibung der Handschrift kann man bei der Universitätsbibliothek Heidelberg nachlesen.
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