Scharfrichter/Henker

23. Juni 2013
Von

Handwerker

Im 13. Jahrhundert änderte sich im europäischen Raum das Rechtssystem.  Standen sich noch im frühen Mittelalter Ankläger und Angeklagter gleichberechtigt vor Gericht gegenüber, so wurde nun mehr und mehr versucht, dem Angeklagten seine Schuld nachzuweisen. Das Ziel der Gerichtsverhandlungen war ein Geständnis des Angeklagten.  Um dieses zu erhalten, wurden oftmals diverse Foltermethoden angewandt.

Wurde ein Angeklagter zum Tode verurteilt, musste jemand gefunden werden, der das Urteil vollstreckt. Während man zunächst noch wechselnde Personen mit der Hinrichtung beauftragte, bildete sich bald der Beruf des Scharfrichters heraus.

Die erste urkundliche Erwähnung eines Scharfrichters findet sich im Augsburger Stadtrecht von 1276.

Auch wenn zunächst im Sachsenspiegel noch geschrieben steht, dass der Scharfrichter ein ehrenvolles Amt bekleidet und seine Aufgaben frei von Sünde erfüllen kann, wurden die Scharfrichter schnell stigmatisiert.

Nach dem christlichen Glauben war es eine Sünde, jemandem das Leben zu nehmen. Der Richter gab diese Schuld an einen sogenannten Nachrichter weiter, welcher dann die Schuld auf den Scharfrichter abwälzte. Es war absolut üblich, dass der Scharfrichter sich vor der Hinrichtung bei dem Verurteilten entschuldigte und dieser ihm auch vergab.

Es soll sogar Fälle gegeben haben, wo die Axt des Scharfrichters verurteilt wurde, die Schuld an der Hinrichtung zu tragen. Zur Strafe wurde die Axt dann verbrannt.

Die meisten Scharfrichter trugen während ihrer Arbeit eine Kapuze, die auch das Gesicht verhüllte. Grund hierfür war allerdings nicht die Anonymität des Scharfrichters, sondern dessen Schutz vor Flüchen und bösen Blicken von Seiten der Verurteilten.

Henker

Scharfrichter bei der Vorbereitung (Quelle: Wikipedia)

Dem  Ansehen des  Scharfrichters in der Gesellschaft nützte das alles allerdings nichts. Der Scharfrichter verrichtete unehrliche Tätigkeiten und war daher ein unehrlicher Beruf. Er war somit genauso schlecht angesehen wie Huren, Gaukler, Leineweber, Müller und andere unehrliche Berufe. Im Prinzip wurde er auf eine Stufe gestellt mit den Verbrechern, zu deren Urteilsvollstreckung er gerufen wurde.

Zu den Aufgaben des Scharfrichters gehörten unter anderem auch das Vergraben verendeter Tiere, die Beerdigung von Selbstmördern, die Durchführungen von Foltern und das Reinigen von Kloaken.

Wie so oft im Mittelalter gab es auch in der Stellung der Gesellschaft zum Scharfrichter zwei Seiten. Er war unehrenhaft und man mied ihn – und man suchte ihn auf und erhoffte sich von ihm Hilfe. Da der Scharfrichter (im Gegensatz zu den meisten Ärzten) über fundierte Kenntnisse der menschlichen Anatomie verfügte, wurde er oft bei gesundheitlichen Problemen kontaktiert und praktizierte die innere Medizin. Auch Glücksbringer kauften die Menschen vom Scharfrichter. So sollte zum Beispiel ein Knochensplitter eines Hingerichteten im Geldbeutel dafür sorgen, dass dieser niemals leer wurde.

So schlecht die Scharfrichter auch angesehen waren, gelangten sie teilweise doch zu einiger Bedeutung. Sie konnten wegen ihrer Stigmatisierung nur untereinander heiraten und ihren Kindern blieb nur der Beruf des Scharfrichters oder andere unehrenhafte Berufe. So gab es in manchen Gegenden regelrechte Dynastien von Scharfrichtern, die einigen Einfluss hatten und es durchaus auch zu einigem Vermögen bringen konnten.

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2 Responses to Scharfrichter/Henker

  1. 8. Juli 2013 at 13:23

    Hallo Kortini,

    sehr interessanter und informativer Bericht, den Du da verfasst hast. Ich selbst lese sehr gerne historische Romane wie z.B. “Die Henkerstochter” von Oliver Pötzsch. Als ich kürzlich einen Blogbeitrag über die Hexenprozesse von Ellingen geschrieben habe, recherchierte ich dafür in der alten Ellinger Chronik. Dabei fiel mir auf, dass der für Ellingen verantwortliche Scharfrichter ebenfalls Kuisl hieß, genau wie der Henker in Pötzschs Romanen. Die Kuisls waren also tatsächlich eine große bayerische Henkersdynastie.

    Gruß Anja

    • kortini
      8. Juli 2013 at 17:13

      Hallo Anja,

      besten Dank für deine Nachricht. Da dir der Beitrag gefällt, hat sich meine Recherche ja schon gelohnt. :)

      Viele Grüsse
      kortini

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