In den letzten beiden Artikeln über die Völkerwanderung beschrieb ich die militärische Überlegenheit des asiatischen Reitervolkes durch seine stabilen Sättel und den Reflexbogen. Ich vertrete die These einiger Historiker und Naturwissenschaftler, dass der Zug der Hunnen aufgrund drastischer klimatischer und, daraus folgend, wirtschaftlicher Veränderungen geschah. Im Osten muss sich eine Hungerkatastrophe durch Kälteeinbruch ereignet haben, wie sie nur mit der Dürre in der Sahelzone verglichen werden kann. Dies wäre eine plausible Erklärung, warum das Nomadenvolk in kompletten Stammesverbänden, mit Frauen und Kindern, Alten und Kranken, nach Westen zog. Die Hunnen kamen nicht etwa als wilder Haufen von anarchischen Freischärlern, als die sie immer wieder dargestellt werden. Viele kleine Stammeseinheiten bildeten eine arbeitsteilig gegliederte Gesellschaft mit straffen Hierarchien.
Unter den Hunnen gab es die verschiedenartigsten Handwerksberufe. Sie hatten Kürschner, Goldschmiede, Zimmerleute, Holz- und Elfenbeinschnitzer, Tischler, Sattler, Kesselflicker, Töpfer, Wagner und Waffenschmiede. Hochentwickelte, handwerkliche Fähigkeiten waren nötig, um ihre Wunderwaffe, den Reflexbogen, herzustellen.
Nach dem Tod des Großkönigs Ruga wurden seine Neffen Attila (um 406 bis 453) und Bleda seine Nachfolger. Durch die Ermordung seines eigenen Bruders wurde Attila eine kurze Zeit alleiniger Herrscher der Hunnen.
Der Austausch von Geiseln als Unterpfand für einen geschlossenen Frieden war im römischen Reich gängige Praxis. Meist waren es die Söhne von Stammesführern oder des Adels, die dieses Schicksal ereilte. Der römische Feldherr (magister militum) Äetius, der eine zeitlang Geisel der Hunnen war, verstand dieses asiatische Volk gut. Durch römisches Gold brachte er einen Trupp dazu, in Gallien einen Sklavenaufstand niederzuwerfen. Die Hunnen galten als besonders grausam, da sie jeden, ohne Ansehen der Person, Männer, Frauen, Kinder und Alte töteten.
Wahrscheinlich rührt daher Attilas späterer Name: die “Geißel Gottes”. Nach der Niederschlagung des Aufstandes ließ Äetius durch die Hunnen Krieg gegen die Burgunder führen. Äetius glaubte, mit der “Medizin der Hunnen” Herr über die “germanische Krankheit“ zu werden und so alle Stämme beherrschen zu können. Jedoch veranlasste Attila im Jahre 451 einen Vorstoß nach Westen und trieb alles in Gallien vor sich her. Äetius und seinen Römern blieb nichts anderes übrig, als sich mit den germanischen Stämmen zu verbünden.
Der Hunnenkönig Attila wurde auf den Katalaunischen Feldern (die bis heute nicht genau lokalisiert werden können) gestellt, aber nicht vernichtend geschlagen. Der westgotische Historiker Jordanes (500 – 555) urteilte, die Schlacht sei wie die “Tenne zahlloser Rassen und Völker”. Auf der einen Seite kämpften die Hunnen mit den von ihnen unterworfenen Ostgoten und auf Seiten der Römer die Westgoten, Franken, Burgunder, Sachsen und Kelten. Der ungeheuerliche Kampf soll nach Schätzungen Jordanes 165.000 Menschenleben gekostet haben.
Nach einem Rückzugsgeplänkel in Oberitalien konnte Äetius Attila und seine Hunnen bis zum Rhein zurückdrängen. Von dort zogen sie sich zurück bis an die Theiß in Ungarn, ihrem Kerngebiet. Fortan wurde von keinen neuen Eroberungsversuchen berichtet.
Es wird vermutet, dass die Hunnen die Pocken mit nach Europa brachten. Jedenfalls war das Reiterheer so geschwächt, dass von ihm keine Gefahr mehr ausging. Für das Mittelalter waren sie die roten apokalyptischen Reiter, die Teufel, die den Krieg brachten. In den Augen der Menschen war es die Gnade Gottes, die sie vor Schlimmerem bewahrte.
Attilla starb 453 in seiner Hochzeitsnacht mit einer Gotin. Er erlitt einen Blutsturz. Nach seinem Tod herrschte Uneinigkeit unter seinen drei Söhnen Ellac, Ernak, Dengizich und das Hunnenreich zerfiel.
© Thalassa von Kerygma
Sind die hunnen auf ihrem rückzug aus europa bei bingen von west nach ost über den rhein ?
Da die Truppen aus Richtung Westen zurückgedrängt wurden, ist dies so anzunehmen. Von unserer Redaktion war leider niemand vor Ort.