Salomo III., Bischof von Konstanz

3. Februar 2013
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Mit Bischof Salomo I. von Konstanz steigt ab dem Jahre 838 eine bislang namentlich nicht faßbare alemannische Adelsfamilie in höchste Ämter auf. Ein Bischof nämlich steht nicht nur kirchenrechtlich seiner Diözese vor und ist deshalb dem Papst in Rom verpflichtet, sondern er ist auch der weltliche Regent mindestens an seinem Bischofssitz und also Kaiser und König verbunden. Zudem sind die geistlichen Fürsten schriftkundig und daher unverzichtbar für das “bei Hofe” nötige Urkundenwesen, für Verträge und Schriftwechsel, als Diplomaten, Berater und Verhandler. Gerade weil sie so wichtig waren für das Regierungshandeln, ist es verwunderlich, daß wir die Familie der Salomone nicht kennen.
Großonkel Salomo I. nimmt an zwei Konzilien in Mainz teil und ist 859 in Worms, als Erzbischof Hincmar von Reims im Auftrag Lothars II. eine Gesandschaft dorthin führt – die Friedensverhandlungen zwischen Ludwig dem Deutschen, Karl dem Kahlen und Lothar II. finden dann 860 in Koblenz statt. Salomo I. hat sich also offensichtlich als höchst wichtiger Berater des ostfränkischen Königs etabliert. 864 verhandelt er als Gesandter Ludwigs in Rom.
Als Bischof hat Salomo I. nicht nur die geistliche Leitung seiner Diözese, sondern auch das weltliche Regiment über die Bischofsburg Konstanz und im Thurgau eine quasi-gräfliche Stellung inne. Die Siedlung “Constantia”aus römischer Zeit liegt am Fernhandelsweg über die Bündner Alpenpässe nach Italien und besitzt zudem bereits einen Hafen. Das sind die infrastrukturellen Grundlagen für eine zunehmend auch politisch wichtige Herrschaft.

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Zeichnung des Klosters St. Gallen nach d. Klosterplan a.d. frühen 9. Jhdt.; Rahn nach Lasius; 1876; Quelle: Wikipedia

Bis zum Jahre 854 gehört das Kloster Sankt Gallen der Konstanzer Bischofskirche und finanziert mit seinen Einnahmen aus Schenkungen und Liegenschaften nicht nur sich selbst, sondern eben auch den Bischofssitz und das Domkapitel. Bischof und Abt sind daher oftmals in Personalunion vereint, allerdings ist Salomo I. kein Abt gewesen..
Über den Familienstand Salomos I. wissen wir nichts. Das ist insofern bemerkenswert, als ein Bischof damals ebenso wenig wie ein Priester unverheiratet sein mußte. Und als Adliger verfügte ein Bischof durchaus über Privatvermögen, mit dem eine Familie unterhalten werden konnte.
Salomo I. stirbt im Frühjahr 871 und 875 wird sein Neffe Salomo II. zum Bischof von Konstanz ordiniert. Wir finden Nachrichten über ihn in Urkunden Ludwigs des Deutschen und Kaiser Karls III. Wahrscheinlich gehört er auch der Hofkapelle Kaiser Arnulfs an – er hat also intime Kenntnisse über politische Entscheidungswege, Verhandlungen und Allianzen. 17 seiner Briefe hat Notker Balbulus im Kloster St. Gallen gesammelt und überarbeitet, zu einem “Formelbuch” zusammengefaßt und später als Arbeitsvorlage dem Amtsnachfolger und Neffen Salomo III. geschenkt.

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Notker Balbulus im Relief des Stiftkirchenportals St. Gallen (Foto: A. Praefcke; 2008; Quelle: Wikipedia)

Um 860 wird in der Bischofsfamilie der spätere Salomo III. geboren, etwa fünf Jahre nach Waldo, dem späteren Bischof von Freising. Sicherlich haben sie einen älteren Bruder, der den weltlichen Besitz des Vaters erbt – aber von dieser Familie ist leider, wie geschrieben, bislang nichts bekannt. Die Namenswahl jedenfalls ist programmatisch: Dieser Knabe soll später eine hohe geistliche Position einnehmen! Daher läßt bereits Bischof Salomo I. beide Großneffen in kindlichem Alter als Schüler in der “äußeren” Schule des Klosters St. Gallen von den Mönchen Iso und Notker Balbulus ausbilden.
Ab 884, also mit etwa 24 Jahren und zum Diakon geweiht, gehört Salomo III. der Hofkapelle Kaiser Karls III. an und nach dessen Tod der Hofkapelle Arnulfs von Kärntens. Das ist kein gesellschaftlicher Abstieg – Arnulf wird später Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Im Jahre 886 etwa tritt Salomo III. förmlich in das Kloster St. Gallen ein.
Salomo II. stirbt 889 und als Nachfolger im Bischofsamt wird sein Neffe Salomo III. eingesetzt, im selben Jahr wird er im Kloster St. Gallen zum Abt gewählt. Das führt immer wieder zu Interessenkonflikten. Salomo III. kann Schenkungen aus königlicher Hand entweder als Abt dem Kloster zueignen oder als Bischof der Bischofskirche widmen; da diese Schenkungen für die Lebenshaltung sowohl der Mönche wie der Kleriker immens wichtig sind, weckt dies Begehrlichkeiten. Und manchmal liegt der geschenkte Bauernhof im Gebiet des Klosters, soll aber dem Domkapitel dienen – das gibt Ärger!
Um 900 erteilt Salomo der Siedlung, die sich außerhalb des Bischofssitzes entwickelt hat, das Marktrecht; Konstanz entwickelt sich zum Zentrum des Leinenhandels.
Kaiser Arnulf stirbt im Jahre 899 und hinterläßt einen sechsjährigen Erben, der allerdings bereits zum König gekrönt ist – Ludwig IV. das Kind. Seine wichtigsten Berater sind Erzbischof Hatto von Mainz und Bischof Salomo III. von Konstanz. Seit dem 20.01.909 ist Salomo III. “cancellarius” des Königs, womit er die Leitung der königlichen Kanzlei und ein hohes politisches Amt inne hat. Die Tätigkeit der Konstanzer Bischöfe verbindet die Regierung der letzten ostfränkischen Karolinger mit den auf sie folgenden Herrschern.
Schon vor der Bestallung als Cancellarius ist Salomo III. nahezu halbjährlich auf Synoden und Reichstagen in Frankfurt, Worms, Trier, Regensburg, Mainz, Straßburg – manchmal Monate lang müssen das Bistum Konstanz und das Kloster ohne ihren Oberhirten auskommen. Zu damaliger Zeit waren nämlich kaum mehr als 40 km Weg pro Tag mit Wagen und Gefolge zu schaffen. Zu seinen Obliegenheiten gehört es, für Antragsteller zu “intervenieren”. Bischöfe, Klöster oder Domkapitel treten mit einem Antrag an ihn heran, es wird abgewogen und formuliert, sicherlich auch bereits inoffiziell mit dem Herrscher Rücksprache gehalten, bis dann der Intervenient den endgültigen Vertrag dem Herrscher offiziell zur Beschlußfassung vorlegt.

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Wiboradas Martyrium 926 n.Chr. (Cuonrad Sailer (?), Buchmalerei um 1455; Stiftsbibliothek St. Gallen; Quelle: Wikipedia)

Ungefähr 912 teilt er bei der Kirche St. Georgen oberhalb von St. Gallen der Einsiedlerin Wiborada ein kleines Haus zu, bis sie eine Cella an St. Mangen bekommt, wo er sie 916 feierlich “einschließt”. Auch in anderen Fällen hat der Bischof Novizen einzukleiden und zu tonsurieren, Kirchen zu weihen und mit Pfründe auszustatten sowie Klerikerkonvente zu versorgen.
Für die Bischofskirche St. Mariae et Pelagii läßt er einen Schrein zur Aufnahme der Reliquien des Hl. Pelagius anfertigen und ehrt die Gottesmutter durch Goldarbeiten an Kreuz, Altar und Ambo.
Für die Bedürfnisse des Domkapitels läßt er nach 912  in Konstanz eine Bischofspfalz errichten (sie wurde um 1830 abgerissen). Hier wohnt der Bischof und leben die Kleriker. Sie lesen in den Kirchen der Umgebung die Messe, arbeiten im Scriptorium und halten sich zur gastfreien Aufnahme von Reisenden und Boten in geistlichem oder weltlichen Auftrag bereit – Hotels und Gasthäuser gibt es im frühen Mittelalter noch nicht.
Die jahrzehntelange Tätigkeit bei Hofe bringt Salomo, zugleich Abt eines der bedeutendsten karolingischen Reichsklöster, eine herausragende politische Rolle im alemannischen Raum ein. Von 901 bis 912 hält er sich regelmäßig in der Königspfalz Bodman (Ludwigshafen) auf. Bei Bodman lag ein Territorium, daß dem Kloster St. Gallen gehörte, und Salomo bekommt weitere Güter vom König übereignet, die ursprünglich der Pfalz gehört hatten.
Dieses Königshandeln kollidiert mit Bestrebungen des alemannischen Adels, einen Herzog aus ihren Reihen in Alemannien zu etablieren. Vermutlich hat Salomo seine Hände im Spiel, als Burchard I., Markgraf von Rätien, im Tumult während eines Hoftages 911 getötet wurde. Daß dessen Bruder, Graf Adalbert III. ermordet wurde, während die Söhne Burchard d. Jüngere und Udalrich Alemannien verlassen mußten, hat unter anderen auch Salomo veranlaßt.
Pfalzgraf Erchanger, der wegen der Übertragung von bodmanschem Gebiet an das Kloster St. Gallen bzw. an das Bistum Konstanz mit König Konrad im Streit lag, war dennoch damit einverstanden, seine frisch verwitwete Schwester Kunigunde, Herzogin von Baiern, mit Konrad I. zu verheiraten. Die 913 geschlossene Ehe führt allerdings zu keiner Entspannung zwischen den beiden Schwägern. 914 läßt Erchanger Bischof Salomo III. gefangen nehmen und auf die Thiedboldsburg bringen. Wo diese lag, ist bislang nicht geklärt; möglicherweise handelt es sich um Erchangers Stammburg am Neckar. Noch im selben Jahr kann König Konrad den alemannischen Fürsten in der Nähe seiner heimatlichen Burg bei Reutlingen ergreifen lassen und Salomo ist wieder frei. Dadurch hat Erchanger sicherlich sein Pfalzgrafenamt verloren und Salomo weiterhin die begründete Hoffnung, aus Schenkungen des Königs die Einkünfte seines Bistums zu mehren. Die Pfalz Bodman scheint in bischöflichen Besitz übergegangen zu sein. Allerdings kommt Erchanger schon 915 aus der Verbannung zurück, kann den König bei Wahlwies schlagen und sich von der Adelsversammlung Alemanniens zum Herzog erheben lassen. Salomo bleibt nicht untätig. Papst Johannes X. schreibt an Erchanger und seine Anhänger einen Brief und fordert sie zum Gehorsam gegen den König auf. Die Bischöfe organisieren eine Synode in Hohenaltheim, die 916 unter Vorsitz eines päpstlichen Legaten abgehalten wird; auf ihr wird der Alemannenherzog zur Klosterhaft verurteilt. Als Erchanger ein Jahr später versucht, sich mit seinem Schwager und König auszusöhnen, wird er ermordet.

Seine Zeitgenossen charakterisieren Salomo III. als “edel, klug und hoch gebildet” – und durchsetzungsfähig, müssen wir ergänzen. Er stirbt an einem 5. Januar 919 oder 920. Noch auf dem Sterbebett verfügt er über die Vergabe noch nicht weitergegebener Geschenke (hauptsächlich Rechte auf Einnahmen, aber auch Hofstellen und dergleichen). Seine Mitbrüder in St. Gallen bittet er inständig, für die von ihm gestiftete, in der Nähe gelegene Magnuskirche Sorge zu tragen. Dort, im Schutz der ständigen Gebete Wiboradas, will er begraben werden. Doch das Konstanzer Domkapitel entscheidet anders. Salomo III. wird als erster Bischof von Konstanz an der rechten Wand der Bischofskirche beigesetzt. Sein Grab ist verschollen. Der alte Dom wurde im 11. Jhdt., nachdem das karolingische Langhaus eingestürzt war, erneuert. Die ältesten Bauzeugnisse datieren von etwa 1000 n.Chr.

© Amhara zu Agorá

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