Island – Zwischen Eis und Lava

1. April 2012
Von
Die Flagge Islands

Die Flagge Islands - Quelle: Wikipedia

Mal ehrlich: Wen interessiert die Geschichte Islands, zudem auch noch im Mittelalter? Kommen da wieder olle Könige vor und wird da erzählt, wie einer dem anderen den Schädel eingeschlagen hat?

Was wissen wir von Island? Außer dass es da saukalt ist und Vulkane spucken, an deren Namen sich der geübteste Nachrichtensprecher die Zunge verbiegt: Eyyaflattjajüköl… nein, irgendwie anders: Eyjafjallajökull. Ach – das war der, der im April 2010 die Flugzeuge lahmlegte, dass selbst unsere Kanzlerin nur über Umwege versuchten konnte, von Amerika zur Trauerfeier für den damaligen Staatspräsidenten nach Polen zu kommen, aber  nicht rechtzeitig erschien.

Wenn ich euch erzähle, dass das bißchen Asche, das uns ein paar Tage unseren Osterurlaub vermisste, nichts war zu dem, was im Mittelalter passierte?!

Erinnert Ihr euch, liebe Leser, noch an das Bild von Island mit den Seemonstern, die wohl Wale waren?  Ich meine den Kupferstich, den der Kartograph Abraham Ortelius in seinem Atlas “Theatrum Orbis Terrarum” erschaffen hat. Neben den Eisbären auf dem Treibeis sieht man im Südosten einen ausbrechenden Vulkan. Das ist die Hekla, Islands berühmtester Berg (1.491 m) , von den Isländern “Haube” genannt. Sie gilt als unberechenbare Frau mit koketter Haube – eine alte Giftspritze. Sie ist der Zentralvulkan einer 40 km langen Vulkanspalte und mindestens 6600 Jahre alt.  Erdgeschichtlich also ist die Hekla ein junger Berg – um im Bild zu bleiben: ein junges Mädchen. Hekla bildet eine Mischform aus einem Spaltenvulkan mit einem zentralen Stratovulkan, wobei sich ihr gesamtes Vulkansystem auf eine Länge von 40 km erstreckt. Zu diesem System zählen auch einige Nebenvulkane. Das heißt, wenn der Hauptkrater Ruhe gibt, ist es nicht ausgeschlossen, dass die “Kollegen” ein Wörtchen mitreden. Der Gipfelbereich des eigentlichen Stratovulkans wird von einer 5 km langen Eruptionsspalte durchzogen: der Heklugjá. Unter der Hekla befinden sich drei Magmakammern. Das macht sie so gefährlich – es ist nie sicher, ob nur eine davon zur Explosion gerät oder alle drei, was natürlich einen massiveren Ausbruch zur Folge hätte. Es hängt davon ab, wie stark die europäische und die nordamerikanische Erdplatte sich von einander entfernen. Ihre Ausbrüche konnten sich über mehrere Monate erstrecken. Im Jahr 1300 dauerte der Ausbruch sogar ein ganzes Jahr. Erneuerte Ausbrüche erfolgten 1341 und 1389, die auf der Westflanke waren und ziemlich groß gewesen sein müssen. Immenser Schaden entstand an den Weiden im Süden, vor allem im Bezirk Fljótshlíð und im Skagafjörður, was im darauffolgenden Winter zu mindestens 500 Todesfällen führte, weil Vieh umkam und Mißernten die Folge waren. Durch den Ausstoß von Schwefel entstand in Verbindung mit Wasser Schwefelsäure. Der Himmel verdunkelte sich. Es wuchs nichts und wurde noch kälter.

Das norwegische Königshaus hatte sich im Mittelalter immer nach dem Befinden der Hekla erkundigt. Hieß es doch, im Notfall Schiffe losschicken, um die Isländer mit Nahrungsmitteln und Brennstoff zu versorgen. Die Bauern auf Island wagten sich nicht in ihre Nähe und behaupteten, dort eigenartige Wesen gesehen zu haben. Den Ätna und den Vesus in Italien hielt man dagegen für friedlich vor sich hin qualmenden Großväter.

Im Durchschnitt bricht auf Island alle 10 Jahre ein Vulkan aus, wobei sich in den letzten Jahren die Intervalle eher auf 5 Jahre zu verkürzen scheinen. Im 20. und 21. Jh. brachen folgende Vulkane aus:
Katla – Subglazialer Vulkanausbruch im Jahr 1918. Ein großer Gletscherlauf verwüstete zahlreiche Gehöfte.
Surtsey – Submarine Eruption 1963. Vor Vestmannaeyjar tauchte eine neue Vulkaninsel auf
Heimaey – Spalteneruption 1973
Krafla- lang anhaltende Spalteneruption in den Jahren 1975 bis 1984
Bardarbunga / Grimsvötn – Subglaziale Eruption unter dem Vatnajökull mit großem Gletscherlauf im Jahr 1996
Hekla – eine vergleichsweise kleine Eruption im Jahr 2000
Grimsvötn – Subglaziale Eruption nahe Barabunga im Jahr 2004
Eyjafjallajökull- Spalteneruption nahe des Gletschers. März 2010

Nicht schlecht, oder? Wer mehr darüber wissen will, schau mal bei SPIEGEL ONLINE rein. Bei YouTube erfährt man aktuell mehr über die Hekla.

Im Mitttelalter hatte man natürlich nicht die Aufzeichungen und Meßgeräte wie heute. Doch von dem Wenigen, was man weiß, waren die Ausbrüche gewaltiger alles heute. Island brauchte keine Leuchttürme. Das Glühen der Berge war von Weitem zu sehen. Wenn auch die Isländer die Hekla liebevoll “Haube” nannten, so hielten die mittelalterlichen Seefahrer sie für das Tor zur Hölle. Das Grollen der Vulkane war schon an Bord der Schiffe zu hören, dazu das nächtliche Polarlicht. Die Explosionen und der Schwefelgeruch mußten auf den von Mythen und Sagen geprägten Mensch wie das Inferno gewirkt haben. Er kannte weder den Lärm der Flugzeuge und Automobile noch den Schwefelgestank der modernen Schwerindustrie.
Heute würden unsere Teenies sagen: Da ging mächtig der Punk ab. Besser als jedes Rockkonzert, auf jeden Fall aufregender.

So gilt der Grimsvötn als Heimat der Riesen und Trolle. Er ist seit der Erstbesiedlung 874 rund 70 mal ausgebrochen und erstreckt sich auf ein Gebiet so groß wie Korsika und reicht bis tief hinunter auf den Erdmantel. Von dort quillt Lava heraus wie bei den Vulkanen Hawaiis. Als der gefährlichste Vulkan Islands gilt unter den Forschern der Askia. Er war lange ruhig. Er hat aber eine riesige Magmakammer, in der sich Gas sammelt. Durch die Erdbewegung kann es hier zu einer gewaltigen Explosion kommen, die auch in Europa spürbar sein wird. Wie in einer Sprudelflasche  schießt dann die Lava hoch. Keiner kann sicher sein, wann das passiert. Es ist nicht mehr eine Frage des “Ob”, sondern des “Wann”.
Seit die Wikinger im frühen Mittelalter das Eiland im Nordatlantik besiedelt haben, gab es dort etwa 250 Vulkanausbrüche. Heute zählt die Insel 140 Vulkane, von denen 30 aktiv sind. Viele von ihnen sind von Eiskappen bedeckt. Man spricht hier von subglazialen Vulkanen. Jedoch weist die Insel die verschiedenartigsten Formen von Vulkanen auf (Schild- oder Kegelvulkane, submarine oder hawaiianische Typen, die beständig Magma aus dem Erdinneren hervorquellen lassen). Auf alle hier eingehen zu können, sprengt unser Thema “Island im Mittelalter”.

Nach neueren Forschungen können Geochemiker belegen, dass die Vulkanausbrüche Klimaveränderungen im Mittelalter und in der früheren Neuzeit ausgelöst haben. Doch am 2. Mai 1303 standen in Mitteleuropa die Bauern vor ihrem erfrorenen Saatgut und ahnten nicht, wie hart die Zeiten noch werden würden. Es folgte die “Kleine Eiszeit” mit Hungersnöten und gesellschaftlichen Zerwürfnissen. Aus dem vormaligen Grünland wurde ein Eisland. Erst jetzt durch die Klimaerwärmung ist auf der Insel wieder Landwirtschaft möglich. Noch einmal ab dem Jahr 1600 ist ein deutlicher Temperatursturz nachzuweisen. Die Temperaturen lagen im “Mittelalterlichen Klimaoptimum” im Jahresmittel vielerorts um 1,5 Grad höher als heute. Welches der feuerspeienden Monster hier am Werk war, kann bis jetzt noch nicht sicher beim Namen genannt werden. Dafür fehlen gesicherte Informationen aus dem Mittelalter. Vielleicht handelte es sich um die von den Wikingern so gefürchtete, launische Hekla, nach deren Befinden sich der herrschende König von Norwegen immer erkundigte. So mußte er per Schiff Hilfslieferungen an Nahrungsmitteln und Brennstoff senden , die jedoch nicht ausreichten, um zu verhindern, dass der Baumbestand der Insel gegen Null ging.

Eins ist auf jeden Fall klar, schwere Vulkanausbrüche wie der Laki auf Island in den Jahren 1783 und 1784 forderten tausende Todesopfer. Ein ständiger Lavafluß machte die Landwirtschaft zunichte. Viele Isländer verhungerten oder erfroren. Der Laki-Ausbruch des Jahres 1783 gilt noch heute als einer der schlimmsten geschichtlich dokumentierten Vulkanausbrüche. Auch in Großbritannien forderte er weitere Hungertote durch Mißernten. Dieser Kälteeinbruch wirkte sich auch auf den Norden Frankreichs aus. Dort trugen die Mißernten dazu bei, Auslöser der Französischen Revolution von 1789 zu sein.

Thalassa von Kerygma

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2 Responses to Island – Zwischen Eis und Lava

  1. Siggimaster
    1. April 2012 at 18:27

    Sehr interessanter Artikel! Vor allem wurde mir auch erst jetzt richtig klar, dass man eigentlich nie etwas vom mittelalterlichen Island liest. England, Frankreich… Tausende von Berichten… Von Island gibt es nix.
    Dank den beiden Artikeln habe ich also erfahren, dass es die donnernde Insel auch schon vor der Finanzkrise gab. :)

    Allgemein finde ich die MAG super; ihr macht wirklich einen guten Job hier! :)

    Grüsse,

    Siggi

    • Thalassa
      4. April 2012 at 16:21

      Danke Siggi für Deine Zeilen. Vielleicht wird es Dich freuen, dass noch weitere Artikel über den unbekannten Norden und die Wikinger geplant sind. Am 15.4. errscheint ein Artikel über Leif Erikson und die Entdeckung Amerikas.

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