Hansekogge im Mittelalter und Unterwasserarchäologie in der Ostsee

7. Oktober 2012
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Archäologie

Anno 1977, also noch zu DDR-Zeiten, entdeckten Rettungsschwimmer vor der Halbinsel Darß in der Ostsee das Wrack einer 700 Jahre alten Kogge. Erst jetzt nach der Wende konnte man systematisch an die Auswertung der Funde gehen. Die Ostsee war vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns damals durch die politische Situation Sperrgebiet.

Die hanseatischen Schiffe können in zwei Kategorien unterteilt werden:

Große Schiffe waren für die Hochsee geeignet und fuhren weite Strecken, sodass man davon ausgehen kann, dass sie von der Nord- oder Ostsee bis ins Mittelmeer oder vor Island kamen.

Seekrieg zwischen König Albrecht III von Schweden und Königin Margareta von Dänemark

Seekrieg zwischen König Albrecht III von Schweden und Königin Margareta von Dänemark
Quelle: Wikipedia

Ladekapazität
die Kogge (urspünglich der Koggen) 70 – 330 Tonnen
der Holk 198 – 440 Tonnen
die Kraweel unbekannt

Die kleineren Schiffen und Booten Sie waren für die Flussschifffahrt und die Küstenrouten gedacht.

Ladekapazität
die Schnigge unbekannt
der Ewer 55 – 154 Tonnen
der Kreyer (auch Kraier) 33 – 220 Tonnen
die Prahm bis 47 Tonnen
die Bardze 50 – 175 Tonnen
die Schute 15 – 50 Tonnen

 Die Kogge oder der Koggen

Älteste Funde von Sinteln (koggetypische Dichtungsklammern) stammen aus der Zeit um 900 n. Chr. aus dem Niederrheingebiet. Erste historische Quellen über einen Schiffstyp „cog“ finden sich aus dieser Zeit ebenfalls am Niederrhein.

Von Hollingstedt an der Treene bei Schleswig aus gelangte spätestens Anfang des 12. Jahrhunderts diese friesische Schiffbautradition, der wichtigsten Handelsroute Nordeuropas folgend, über das nur 16 km östlich gelegene Schleswig in den Ostseeraum. Welche Bedeutung hatte dieser kleine Ort, der für einen Menschen, der südlich des Weißwurstäquators aufgewachsen ist, völlig unbekannt ist! Hier am Ende der Schlei, einst Drehscheibe des nordeuropäischen Handels, baute man traditionell seit Jahrhunderten Hochseeschiffe nach skandinavischer Bautradition. Der dadurch bedingte Raubbau an den umliegenden Wäldern und das stetig steigende Warenaufkommen verlangten nach einem Schiffstyp, der sehr viel merkantilere Züge trug als die traditionellen skandinavischen Handelsschiffe, die zwar hervorragende Segeleigenschaften auch auf hoher See besaßen, aber nicht genug Stauraum boten. Die frühen Koggen des 12. Jh. besaßen bereits Planken. Die Planken der Bordwände waren geklinkert (Klinkerbauweise), die des Bodens auf Stoß (Kraweelbauweise) gesetzt. Die Plankenverbindungen wurden koggetypisch mit doppelt umgeschlagenen Nägeln, den sogenannten Spiekern, geschaffen. Nach Ansicht führender Schiffsarchäologen zeigt sich bei dieser frühen Kogge erstmals der Entwicklungsschritt vom wattenmeertauglichen Küstenschiff zum hochseetüchtigen Handelsschiff. Nach den dendrochronologischen Untersuchungen ist das Holz in Südjütland etwa im Gebiet zwischen Schleswig und Hadersleben (DK) geschlagen worden. Da  die bislang ältesten Funde von Sinteln des gesamten Ostseeraumes ebenfalls aus Schleswig stammen, verdichten sich die Hinweise, dass der Entwicklungsschritt zur hochseetauglichen „Proto“-Kogge in Schleswig vollzogen worden sein kann. Damit wurde der Grundstein für den bedeutendsten Schiffstyp des Spätmittelalters gelegt, der als Lastesel der Hanse wesentlich zum Erfolg der Handelsmacht beigetragen hat.

Bei der vor Darß gefundenen Kogge handelt es sich um ein ca. 22 m langes einmastiges Schiff mit einem in Klinkerbauweise gefertigten Rumpf und kastellartigen Aufbauten am Heck. Im Lagerraum fanden ca. 70 -80 Tonnen Fracht Platz. Im Wrack bargen Forschungstaucher die Überreste von norwegischem Stockfisch – Fischwirbel und Gräten befanden sich an Holzstäben. Es gab auch ein Fass isländischen Schwefels, der für die Herstellung von Schießpulver benötigt wurde, das für die Neuheiten jener Zeit, die Arkebusen, gebraucht wurde. Das Fahrzeug konnte durch eine dendrochronologische Untersuchung (Auswertung der Jahresringe) auf das 14. Jh. datiert werden. Die geschlagenen Bäume stammen aus dem Bereich der Weichsel beim damaligen Elbing. Der Erbauungszeitpunkt des Schiffes kann durch die Planken auf 1303 datiert werden. Die Darßer Kogge hat 40 Jahre ihren Dienst getan, bevor sie sank. Das weiß man durch die Datierung des Holzfasses, in dem der Schwefel lag. Das Fass wurde 1342 hergestellt. Archäologie ist so ein Stück Detektivarbeit.

 In der Nähe der Darßer Kogge fand man bei planmäßigen Untersuchungen durch Sonargeräte zwei weitere mittelalterliche Wracks. Man ist aber noch nicht nach ihnen getaucht, um sie zu bergen. Bei dem einen handelt sich um ein 15 m langes Schiff, das für die Küstenfahrt konzipiert wurden und nach Holzanalysen ebenfalls aus dem 14. Jh. stammt. Seine Ladung bestand aus Kalk und Flintsteinen.

 Das zweite Schiff stammt aus der Frühen Neuzeit – man datiert seinen Bau auf das Jahr 1524 – und kreuzte zur Zeit Martin Luthers die Meere. Es war vermutlich ein 18 m langer Holk, der Kalkplatten für die Insel Gotland geladen hatte. Diese Kalkplatten waren für die Gehwege und Grabplatten bestimmt.

In jüngster Vergangenheit, nachdem ein freier Tauchgang in der Ostsee durch die Änderung der politischen Lage möglich wurde, sind zahlreiche mittelalterliche Wracks entdeckt worden: Vier in der Einfahrt des Stralsunder Hafen und weitere vor Hiddensee.

Kogge "Tvekamp af Elbogen" aus Malmö

Kogge “Tvekamp af Elbogen” aus Malmö

Nachbauten und Funde, die zu besichtigen möglich ist, sind

# Bremer Kogge im Deutschen Schiffahrtsmuseum

# Kamper Kogge

# Kogge “Tvekamp af Elbogen” aus Malmö

# Kieler Hansekogge

# Poeler Kogge

Die “Wissemara” ist eine fahrtüchtige Replik des 1999 vor der Insel Poel gefundenen Wracks aus dem Jahr 1293. Ihre Jungfernfahrt trat sie 2005 an. Der Nachbau dieses bisher größten Schiffes aus der Hansezeit kann im Wismarer Hafen besichtigt werden.

Dieser Nachbau dauerte mit den modernen Handwerksgeräten des 20. Jh. drei Jahre. Hieran läßt sich ermessen, wie viel handwerkliches Können es im 13.Jh brauchte und wie mühevoll diese Arbeit war.

Als Literaturtipp möchte ich das Buch von Thomas Förster – Macht und Ruhm auf See, Koggen und andere Handelsschiffe – nennen. Er selbst ist Wracktaucher und hat an den Grabungen im Schlick vor Darß teilgenommen. Er lehrt an der Universität Greifswald Schifffahrtsgeschichte und Unterwasserarchäologie.

Einen Ausflug wert ist das im letzten Jahr eröffnete Deutsche Meeresmuseum und Ozeaneum in Stralsund. Das mittelalterliche Stadtsiegel Stralsunds zeigt die Darstellung einer Hansekogge.

© Thalassa von Kerygma

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