Simeon I., Zar von Bulgarien – Zweiter Teil -

30. September 2012
Von
Bulgaria-(893-927)-byTodorBozhinov

Bulgarien zur Zeit Simeons I. (Quelle: Wikipedia; Autor: Todor Bozhinov)

Simeon hat im Prinzip nach der Schlacht von Anchilaos im Jahre 917 den europäischen Teil des Oströmischen Reiches erobert. Sein Herrschaftsgebiet reicht nun vom Schwarzen Meer bis zur Adria und der westlichen Ägäis (abgesehen von der Chalkidike, etlichen Inseln und dem südlichsten Teil Festlandgriechenlands). Bulgarien ist die stärkste Macht auf dem Balkan. Mehrfach marschieren die Bulgaren vor die Tore Konstantinopels, können es aber nie einnehmen.

Simeon ist zwei Mal verheiratet, was schon ein Zugeständnis ist. Nur ausnahmsweise nach einer längeren Phase der Enthaltsamkeit gestattet die orthodoxe Glaubenslehre eine Wiederverheiratung. Von den beiden Ehefrauen werden in der deutschsprachigen Literatur nur die Namen erwähnt. Kubera ist die Mutter des erstgeborenen Sohnes Michael. Weswegen der Fürst den Thronfolger ins Kloster schickt, ist unbekannt. Aus seiner zweiten Ehe mit Miriam, einer Schwester des hochadligen Kawkhan (Außen- und Verteidigungsminister) Georgi Sursuvul stammen drei Söhne: Peter, Iwan und Bojan (oder Benjamin). Simeon bestimmt den etwa 895 geborenen Peter zu seinem Nachfolger, anfangs unter der Regentschaft seines Schwagers Georgi Sursuvul.

Schon im Jahr seines Herrschaftsantrittes 893 bestimmt Simeon den Slawenapostel Kliment von Ohrid “zum ersten Bischof bulgarischer Sprache”. In der neuen Hauptstadt Preslaw errichtet er die “Schule von Preslaw” als drittes geistliches und kulturelles Zentrum Bulgariens neben Pliska und Ohrid. Die Schule von Preslaw hat durch die dort tätigen Gelehrten ein solches Gewicht, daß sie den Vergleich mit Konstantinopel nicht zu scheuen braucht. Einer dieser Gelehrten, nämlich Tschernorizec Hrabar (etwa “Mönch Mutig”) könnte der unter diesem Pseudonym schreibende Zar Simeon selber sein – seine Ausbildung war entsprechend. In Preslaw verwendet man das neue, für die slawischen Sprachen geeignete sogenannte kyrillische Alphabet. Es wird von allen ostslawischen Sprachen als Schrift adaptiert werden (z.B. Russisch, Serbisch, Mazedonisch, aber auch Kasachisch und Kirgisisch). Hier in Preslaw gibt es eine erste literarische Blüte, hier sammelt man griechische Bücher und bearbeitet und übersetzt sie. Diese Arbeit wird später die mittelalterliche Bildung nicht nur in Bulgarien, sondern auch in der Kiewer Rus prägen.

Simeon Laudatio

Simeon Laudatio (11. Jhdt., Quelle: Wikipedia)

Die Entwicklung einer eigenen Schrift, um die eigene Sprache schreiben zu können, war aus praktischen politischen Gründen geradezu zwingend geboten: Bulgarien wächst zur Zeit von Boris I. und seinem Sohn Simeon I. gerade erst aus einer Mischbevölkerung unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Glaubensvorstellungen zu einem einheitlichen Ganzen zusammen. Diese Einheit soll durch die allen gemeinsame Sprache und Schrift sowie den allen gemeinsamen Glauben gefestigt werden – Karl der Große tut nichts anderes in den Sachsenkriegen… Inzwischen hat sich aber das “Dreisprachen-Dogma” entwickelt. Dieser kirchenrechtlichen Festlegung zufolge darf das Evangelium nur in den Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein gepredigt werden. Bulgaren und Serben aber bestehen darauf, daß auch ihre Sprache zur Verkündigung des Gotteswortes geeignet sei, da “Gott seine Sonne aufgehen läßt über alle Welt und regnen läßt ungeachtet der Sprache der Christen” – so Kyrill, der als gebürtiger Grieche mit seinem Bruder Method in der Slawenmission arbeitet, im Jahre 867 auf einer Synode in Venedig. Nach ihm ist das slawische Alphabet benannt.

Erst vier Monate nach Simeons Tod am 27.05.927, nämlich am 08.10.927, erkennt Byzanz den kaiserlichen Titel des bulgarischen Fürsten an und ebenso die kirchenrechtliche Selbständigkeit des bulgarischen Patriarchats. Zudem verpflichtet sich das Oströmische Reich, jährlichen Tribut an Bulgarien zu zahlen. Dieser Friede wird fast 50 Jahre halten. Neben Rom und Konstantinopel hat sich Preslaw als “drittes Rom” etabliert.

Siegel Simeons I. von Bulgarien (Quelle: Wikipedia)

© Amhara zu Agora

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