Die Anfänge Rußlands

3. Juni 2012
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Die Waräger werden erstmals in der ostslawischen Nestorchronik erwähnt. Sie kommen aus Schweden und Norwegen. Eide (“várar”) und gemeinsame Handelsinteressen verbinden die bewaffneten Männergruppen. Über die osteuropäischen Flußsysteme gelangen sie, Handel treibend, bis nach Konstantinopel. Dort stellen sie zeitweise die Leibgarde (sogenannte Warägergarde) des oströmischen Kaisers. Über das Kaspische Meer erreichen sie sogar Bagdad und die Seidenstraße. In Katar hat man ebenfalls Spuren ihrer Anwesenheit ausgegraben.

Als Waräger sind die Nordmänner durchziehende Händler – als Rus lassen sie sich nieder. Dieser Name leitet sich vom altnordischen *rodr her und bezeichnet eine Rudermannschaft. Als die ostslawischen Völker sich auf keinen gemeinsamen Anführer einigen können, rufen sie einen neutralen Fürsten der Waräger zu sich. Die wegerfahrenen, landeskundigen Händler sind gut organisiert und kampferprobt. Zuerst lassen sie sich in Nowgorod, Staraja Ladoga, Smolensk und Kiew nieder. Als die Stadtstaaten sich zusammenschließen, wird Kiew das Zentrum.

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Krieg zwischen Rus und dem Byzantinischem Reich (Quelle: Wikimedia)

Die ersten Herrscher der Rus sind legendenhafte Gestalten, die nur schemenhaft aus dem Nebel der Überlieferung auftauchen.

Rurik soll im Jahre 862 in Nowgorod die Herrschaft angetreten haben. Nun ist Rurik gar kein Name, sondern ein anonymer Begriff – er bedeutet “berühmter Herrscher” (altnordisch *hrörikr). Von diesem legendenhaften “berühmten Herrscher” leiten sich die Rurikiden her, die bis 1598 in Rußland die herrschende Dynstie gestellt haben. Bis 879 soll Rurik in Nowgorod geherrscht haben.

Im Jahre 882 nimmt Ruriks Feldherr Oleg (russisch für *Helge) Kiew ein. Er soll nach Ruriks Tod der Regent für dessen minderjährigen Sohn Igor (von altnordisch *Ingvar) gewesen sein. Oleg der Weise gilt als Gründer der Kiewer Rus. Aber auch er ist eher eine Legendengestalt denn eine faßbare geschichtliche Person. Immerhin soll er 907 einen Kriegszug gegen Konstantinopel geführt und dem Kaiser einen (für Kiew) vorteilhaften Handelsvertrag abgerungen haben. 911 sei er gestorben. Möglicherweise ist es sein Grabhügel, der bei Staraja Ladoga am Ufer des Wolchow erhalten blieb.

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Oleg vor Konstantinopel (Radziwill-Chronik, frühes 13. Jhdt. Quelle: wikipedia)

Ruriks Sohn Igor, der vor 879 geboren sein muß, soll dann nach Olegs Tod die Herrschaft über Kiew übernommen und bis 945 inne gehabt haben. Bei ihm kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß er eine historische Persönlichkeit war. Die Grenzen seines Herrschaftsgebietes sind durch nomadische Steppenvölker bedroht, gegen die er immer wieder Krieg führen muß. Besonders die südlich ansässigen Petschenegen sind gefährlich. Durch deren Gebiet geht der Handelsweg nach Byzanz. Doch auch mit diesem Handelspartner legt Igor sich an. In Vorbereitung eines neuerlichen Kriegszuges gegen tributpflichtige Drewljanen, die verbissen gegen die Unterwerfung ankämpfen, wird Fürst Igor 945 erschlagen.

Für seinen minderjährigen Sohn Swjatoslaw I. übernimmt die Mutter, Fürstin Olga, die Regentschaft. Sie übt an den Anführern der Drewljanen in mehreren Feldzügen grausame Rache. Im Jahre 955 läßt sich Olga (von altnordisch *Helga) in Byzanz taufen. Schon zwei Jahre später wird sie erneut prunkvoll in der Kaiserstadt empfangen. Doch eine zu einseitige Bindung an Ostrom möchte Fürstin Olga nicht – sie bittet 959 bei Otto dem Großen um die Entsendung eins Missionsbischofs und Hilfe bei der Christianisierung der Rus. Allerdings ist dafür die Zeit noch nicht reif.

Erst einmal gibt es eine heidnische Renaissance. Ab dem Jahre 987 beginnt von Byzanz aus eine erneute Mission, die die Zugehörigkeit Rußlands zur Orthodoxie bis heute begründet. Olga richtet ein System aus befestigten Plätzen, Steuereintreibern und Rechten ein, womit sie die Strukturen der Kiewer Rus maßgeblich modernisiert. Bis zu ihrem Tode am 11.07.969 ist sie Großfürstin von Kiew. 1547 wird Olga von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen.

Eine Zeit lang wird nur die normannische Adelsschicht als “rus” bezeichnet. Nach einigen Generationen sind die Normannen vollkommen slawisiert, dann werden alle Einwohner der Rus als “rus” bezeichnet.

© Amhara zu Agorá

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