Das Heilige Römische Reich ist aus dem karolingischen Ostfrankenreich entstanden und deswegen wohl lenkt unsere Geschichtsbrille unseren Blick fast zwanghaft in scheinbar vorgegebene Richtungen: nach Westen ins Frankenreich und nach Süden ins Römische Reich. Wir hören am Rande von Einfällen der Wikinger – die saßen in Dänemark, in Schweden – aber auch in Schleswig (Haithabu!). Im Hochmittelalter aber war dieses Volk wirtschaftlich und militärisch ein ernstzunehmender Machtfaktor. Uns werden sie wegen “Prinz Eisenherz” sympathisch sein..
Anders steht es mit den Vertretern “slawischer Stämme”. Das können doch nur schlecht organisierte Haufen unterentwickelter Wilder sein, die dann eben nach und nach im Heiligen Römischen Reich aufgegangen sind. Sie erscheinen im Geschichtsunterricht allenfalls in Halbsätzen. Eine veritable Fehleinschätzung!
Boleslaw entstammt der Herrscherfamilie der Piasten. Geboren wird er um 966 und gestorben ist er am 17.06.1025 n.Chr. Von 992 – 1025 ist er als Boleslaw I. Chrobry Herzog von Polen, ab dem Jahre 1000 Polens erster König, und 1003 und 1004 als Boleslav IV. Chrabrý Herzog von Böhmen.
Sein Vater Herzog Mieszko I. hatte Mitte des 10. Jahrhunderts die verschiedenen westslawischen Stämme zwischen Oder und Bug geeint. Er herrschte über ein Gebiet, das in etwa dem heutigen Polen entspricht. Ehen wurden zu dieser Zeit überall in den Herrscherhäusern dazu genutzt, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Herrscherfamilien zu knüpfen. Langfristig sollten sie Unterstützung und Einfluß sichern.
Boleslaws erste und zweite Ehe werden genau mit dieser Zweckbestimmung ausgehandelt. Seine Ehe mit einer Tochter des Markgrafen Rikdag von Meißen soll den Anspruch auf die Mark Meißen bekräftigen. Boleslaws böhmischer Onkel, Boleslaw II. von Böhmen, der mit Heinrich dem Zänker verbündet ist, setzt sich aber militärisch gegen die Polanen durch, sodaß diese Ehe unnötig wird. Boleslaw löst sie auf.
Daraufhin heiratet er eine Fürstentochter aus der ungarischen Herrscherfamilie der Árpáden, um Böhmen durch dieses Bündnis einzukreisen. Da die Ungarn diese Erwartung militärisch aber nur minimal umsetzen, löst er auch diese Ehe wieder auf.
Nunmehr heiratet er mit Emnilda die Tochter des einflußreichen sorbischen Adligen Dobromir. Der polnische Herzog hat mitnichten die elbslawischen Marken (Mark Meißen, Mark Lausitz und Nordmark) des Heiligen Römischen Reiches aus dem Blick verloren! Seine Schwester ist mit König Sven Gabelbart von Dänemark verheiratet und mit Markgraf Ekkehard I. von Meißen verbindet ihn möglicherweise die Abstammung: Ekkehards Mutter ist Sorbin oder Polanin. Und Ekkehard ist bei Kaiser Otto III. sehr gut angesehen…
Daß er die Gebeine des ermordeten Bischofs Adalbert von Prag nach Gnesen überführen läßt, bringt Kaiser Otto III. dazu, im Jahre 1000 nach Gnesen zu wallfahrten. Mit dem “Akt von Gnesen” wird der polnische Fürst deutlich aufgewertet. Eventuell schon zu diesem Zeitpunkt erhebt der Kaiser ihn in den Rang eines Königs, da er von nun an “königliche Rechte” in Anspruch nehmen wird wie z.B. die eigenständige Einsetzung von Bischöfen. Und es wird die Ehe zwischen dem polnischen Kronprinzen Mieszko mit der Nichte des Kaisers, Richeza, verabredet.
Als auch Ekkehard sich nach dem plötzlichen Tod des Kaisers um die Nachfolge bemüht und ermordet wird, brauchen die Marken Meißen und Lausitz Schutz gegen die heidnischen Stämme der Lusitzi und Milzener – die Polen dagegen sind seit dem Jahre 966 Christen. Boleslaw möchte alle westslawischen Stämme in einem christlichen großwestslawischen Reich einen.
Heinrich II. aber hat ganz andere Pläne als Otto III. Als Boleslaw zu Verhandlungen über die Marken nach Merseburg kommt, wird er unter Bruch des Gastrechtes angegriffen und kann nur mit knapper Not entkommen. Schon wenige Wochen später heiratet Ekkehards Sohn Hermann eine Tochter Boleslaws, Reglindis, und Boleslaw übernimmt die Herrschaft auch über Böhmen. Im Norden schließt sich sein Schwager Sven Gabelbart der Opposition gegen Heinrich II. an. Mit wechselnden militärischen Erfolgen wird nun von 1002 bis 1013 um die Zuständigkeit in den Marken gerungen. Im Frieden von Merseburg 1013 erhält Boleslaw die Lausitz und das Milzener Land als Reichslehen, die Ehe zwischen Mieszko und Richeza wird geschlossen und gegenseitige Miltiärhilfe vereinbart.
Nach dem Frieden von Bautzen 1018 und dem Zug gegen Kiew befindet Boleslaw sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, unter den Sorben gilt er als einer der Nationalhelden. Im Verhältnis zum Heiligen Römischen Reich ist Polen souverän und es hat ein eigenes, unabhängiges Erzbistum.
Im Dom zu Posen ist Boleslaw I. Chrobry beigesetzt.
© Amhara zu Agorá
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