Der Speierling

18. Oktober 2015
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Heil- und Nutzpflanzen

Speierling (Tafel aus "Deutschlands Flora in Abbildungen"; 1796; J.G.Sturm, Grafiken von J.Sturm; Quelle: BioLib.de)

Speierling (Tafel aus “Deutschlands Flora in Abbildungen”; 1796; J.G.Sturm, Grafiken von J.Sturm; Quelle: BioLib.de)

Der Speierling ist kein Apfel, sondern ein weiterer Obstbaum – neben Apfel, Birne, Quitte und anderen – aus der Familie der Rosengewächse. Als Wildgehölz ist der Speierling eine der seltensten Baumarten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hier steht er unter Schutz und darf oftmals nicht gefällt werden. Sein natürliches Verbreitungsgebiet reicht von Ostspanien bis nach Kleinasien und Nordwestafrika. Im Mittelmeer-Gebiet war der Baum schon in der Antike “in Kultur”, er ist also kein “Wildobst”. Die Römer brachten den Baum über die Alpen. Hier ist er auf ein Klima angewiesen, in dem auch Wein gedeiht. Staufeuchte und arme Böden mag er nicht.
Freistehend wird der Speierling bis etwa 20 m hoch und kann als Einzelbaum einen Kronendurchmesser von 20 m, einen Stammdurchmesser über 100 cm und ein Alter von bis zu 400 Jahren erreichen. Falls einmal ein Speierling im Hochwald steht, zwingt ihn der Lichtmangel in die Höhe, sodaß er ausnahmsweise auch über 30 m hoch werden kann. Da Speierlinge aber langsam wachsen, werden sie von Buchen überholt und bis zum Eingehen unterdrückt. Folglich sind sie im Buchenmischwald extrem selten. Normalerweise stehen sie in Streuobstwiesen, an Wegen und an Feldrainen, wo sie genügend Licht bekommen.
Der Speierling hat eine rissige, kleinschuppige graubraune Borke und bis zu 25 cm lange gefiederte Blätter. Dadurch sieht er der verwandten Vogelbeere sehr ähnlich, ist aber durch die deutlich größeren Früchte leicht zu unterscheiden.
Speierlinge blühen im Mai mit dichten weißen Blütendolden. Die Früchte reifen im September/Oktober. Es sind 2 – 4 cm im Durchmesser messende kleine Äpfelchen (oder Birnchen), die in Vollreife oft schokoladenbraun werden. In Größe, Form und Farbe können sie von Baum zu Baum sehr unterschiedlich aussehen. Wie in Birnen und Quitten sind im Fruchtfleisch Steinzellen enthalten. Speierlingfrüchte werden von Vögeln und Säugetieren verzehrt. Allerdings vermehren die Bäume sich selten über Samen – meist geschieht die Vermehrung ungeschlechtlich durch Wurzelbrut.
Für den Menschen sind von alters her Holz und Früchte des Speierling wichtig gewesen. Daher zählt der Speierling zu den Fruchtbäumen, die Karl der Große in seinem “Capitulare” aufzählt, damit sie in Pfalz- und Klostergärten angepflanzt werden.
Die Früchte sind recht herb und müssen vollreif werden, um roh ein Genuß zu sein. Ein erster Nachtfrost hilft, den “eigentlich” recht hohen Zuckergehalt der Früchte schmeckbar zu machen. Der hohe Gerbstoffgehalt aber machte sie in Antike und Mittelalter zu einem probaten Mittel bei Durchfall-Erkrankungen – sogar bei Ruhr. Dioskourides empfiehlt sie roh, getrocknet oder auch zu Mehl vermahlen als Stopfmittel. Ansonsten kann man sie kochen, trocknen, pressen und aus Mus und Saft Marmeladen und Brände herstellen. Der gerbstoffhaltige Saft wird immer noch in geringen Mengen hochwertigen Apfelweinen zugesetzt, da er den Most klärt und haltbarer macht. “Sperbelbrand” ist ein hochwertiger Obstbrand aus Speierlingfrüchten.
Das Holz des Speierling ist in Splintholz und Kernholz unterschiedlich gefärbt und wirkt daher sehr lebendig.
Das harte und zähe Kernholz ist das schwerste europäische Laubholz. Man nimmt es im Werkzeug- wie im Musikinstrumentenbau – z.B. für die Pfeifen von Dudelsäcken, zum Schnitzen und Drechseln, sowie als wertvolles Möbel- und Furnierholz. Dann heißt der Speierling plötzlich „Schweizer Birnbaum“.
Um den Speierling in der Natur zu erhalten, bedarf es einiger Mühe. Er wächst nicht nur sehr langsam – er leidet auch unter Wildverbiß. Selbst Weidevieh findet ihn lecker. Jungbäume an Feldrainen und dicht an Weiden müssen also entsprechend geschützt werden.

© Amhara zu Agorá

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