Emma von der Normandie

8. Juni 2014
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Emma von der Normandie, * um 987, war die Tochter Richards I. von der Normandie und dessen Frau Gunnora.

Am 05.04.1002 heiratet sie den englischen König Æthelred II. the Unready. Æthelred wünschte diese Ehe, um die Normannen friedlich zu stimmen, denn viele Raubzüge der “Wikinger” nach England gingen von der Normandie aus. Und seit 991 hatte der englische König regelmäßig das Danegeld an die im Danelag der britischen Insel ansässigen Nordmänner zu zahlen.
Bei der Eheschließung erhielt oder übernahm Emma den angelsächsischen Namen Ælfgifu, der bei formellen und offiziellen Anlässen verwendet wurde. Ælfgifu hatte die erste Ehefrau König Æthelreds geheißen. Anders als diese aber erhält Emma den Titel einer Königin und spielt in der Politik ihres Landes eine wichtige Rolle. Wichtig für ihre Fähigkeit, politischen Einfluß zu nehmen, ist ihr “Wittum” oder die “Morgengabe”, die ihr bei der Eheschließung 1002 vertraglich übereignet wurde. Ihr Wittum umfaßte Grundbesitz in Winchester, Rutland, Devonshire, Suffolk, Oxfordshire sowie die ganze Stadt Exeter. Als gekrönte Königin und damit ‘consors regni’ übernimmt sie Aufgaben, die über die reine Repräsentation hinausgehen. So unterzeichnet sie Urkunden, vergibt Lehen, hat ein gewichtiges Wort bei der Personalpolitik mitzusprechen und – nicht zuletzt – sich um die ‘memoria’ der verstorbenen Familienangehörigen zu kümmern.
In den vierzehn Jahren ihrer Ehe werden drei Kinder geboren: der spätere König Edward (III. the Confessor) etwa 1003, die Tochter Goda (oder Godgifu) ungefähr 1004 und Alfred (Ælfred Æþeling) vor 1012.
Ob Emma an der Entscheidung zum Pogrom an den Dänen am 13.11.1002 beteiligt war, ist nicht überliefert. Dem Massaker soll auch Gunhilde, die Schwester König Sven Gabelbarts von Dänemark, zum Opfer gefallen sein. Im darauf folgenden Jahr starten die Dänen einen Rachefeldzug, den sie erst 1005 beenden. In weiteren Expeditionen mit wenigen Jahren Abstand plündern die Dänen England, dessen Verteidigung fast völlig zusammengebrochen ist, weiter aus.
Als Sven Gabelbart von Dänemark 1013 England überfällt und erobert, flüchtet die königliche Familie in die Normandie zu Emmas Bruder. Nach dem Tod des Dänenfürsten schon 1014 kehren sie nach England zurück. Um den Thron zurückzuerlangen, schließt Æthelred mit den führenden englischen Adligen einen Vertrag, in dem er alle ihre Forderungen anerkennt. Doch sein ältester Sohn aus erster Ehe, Edmund Ironside, revoltiert gegen den Vater und gewinnt das Danelag, dessen Bewohner wegen der Verwüstungen von Lindsey sowohl durch Æthelred als auch Knut mit beiden eine Rechnung offen haben. König Æthelred II. stirbt 1016 während der Belagerung Londons durch Knut von Dänemark und nun wird Edmund als Nachfolger ausersehen. Edmund Ironside verliert im Oktober 1016 die entscheidende Schlacht bei Assandun gegen die Dänen und muß vertraglich auf alle Territorien bis auf Wessex verzichten. Selbst Wessex soll nach Edmunds Tod an die Dänen fallen – und Edmund stirbt bereits am 30. November desselben Jahres im Alter von kaum dreißig Jahren.

Encomium Emmae Reginae

Encomium Emmae Reginae
Quelle: Wikipedia

In dieser unruhigen Zeit geht Emma für kurze Zeit ins normannische Exil, denn ihre Söhne sind durchaus in der Gefahr, von ihrem älteren Halbbruder als lästige Mitbewerber um die Krone ermordet zu werden. Doch als Edmund stirbt, kehrt sie nach England zurück und geht im Jahre 1017 mit dem Rivalen ihres Mannes, Knut dem Großen, ihre zweite Ehe ein. Damit stellt einerseits der Dänenfürst eine die Eroberung legalisierende Verbindung zum bisherigen Königshaus her – und Emma rettet möglicherweise so das Leben ihrer Kinder, die freilich vorsichtshalber “zur Erziehung” in der Normandie bei ihrem Bruder Richard II. bleiben. Das Reich von Knut, in dem Emma nun ebenfalls den Rang einer consors regni hat, umfaßte England, Dänemark, Norwegen und Südschweden. Doch noch vor Knuts Tod bricht seine Herrschaft in Norwegen zusammen. Der ihn im Range eines Jarls vertretende Sohn Sven und dessen Mutter Alfiva rufen mit einer aus England übernommenen Steuer den Unwillen der Bevölkerung hervor, sie verordnen deftige Bußgelder und obendrein gibt es Mißernten – und als nach wenigen Jahren Magnus Olovsson aus Nowgorod kommt, schließen sich ihm alle Norweger an; Sven und seine Mutter müssen nach Dänemark fliehen.
In den ersten Jahren ihrer zweiten Ehe ist Emma politisch kaum aktiv. 1018 kommt ihr Sohn Harthaknut (Hardeknut) zur Welt, wenig später ihre Tochter Gunhild. Ab 1020 beginnt Emma, ihre religiös-kirchlichen Kontakte politisch fruchtbar zu machen. Besonders wichtig als ihr Seelsorger ist Abt Ælfsige von Peterborough, der auch in die Normandie reist, um Reliquien für sein Kloster zu besorgen. Emmas enge Beziehungen zu Kirche und Klerus unterstützen Knuts Anspruch auf den englischen Thon als christlicher Fürst.
Nach dem Tode Knuts am 12.11.1035 bemüht sich Emma erneut darum, einem ihrer nunmehr drei Söhne das Königtum zu verschaffen. Ihre Söhne aus erster Ehe kehren einzeln aus der Normandie nach England zurück. Doch die englische Adelsversammlung wählt Harald, den Sohn Knuts mit einer angelsächsischen Adligen, zum König. Ælfred Æþeling, der mit einer großen Leibwache in Susssex anlandet, wird von Earl Godwin verraten, seine Männer werden niedergemetztelt, der Prinz selbst mit glühendem Eisen geblendet – er stirbt bald darauf. Edward flüchtet daher umgehend in die Normandie zurück. Emma, die zu der Zeit in Winchester lebt und von der Leibwache ihres jüngsten Sohnes beschützt wird, ist ebenfalls nicht sicher: Harald schickt ein Heer und raubt alle ihre Schätze. Die Königin flieht mittellos zu Graf Balduin V. von Flandern.
Das Encomium Emmae Reginae, das ungefähr in dieser Zeit im Auftrag Emmas entsteht, macht König Harald für die Grausamkeiten verantwortlich. Das Encomium ist die älteste bekannte Geschichte Dänemarks. Die vordringliche Absicht Emmas aber ist es, mit dieser Schrift den Anspruch ihres jüngsten Sohnes Harthaknut auf den englischen Thron gegen den älteren Halbbruder Harald zu begründen. Der junge Mann ist bereits seit seinem achten Lebensjahr König von Dänemark. Zur Vorbereitung einer militärischen Auseinandersetzung kommt Harthaknut 1039 nach Flandern, um dort ein Heer aufzustellen. Doch Harald stirbt am 17.03.1040 in Oxford; er wird neben seinem Vater im Alten Münster zu Winchester beigesetzt. Harthaknut rüstet umgehend ein Flotte aus, ist schon drei Monate später in England und besteigt unangefochten den englischen Thron. Die Leiche seines Bruders Harald läßt er exhumieren und in einen Abwasserkanal werfen. Man hat ihn später in St. Clement Danes beigesetzt.
Emma kehrt ebenfalls aus Flandern zurück; sie ist bei der Thronbesteigung ihres Jüngsten anwesend. Vermutlich ist sie an dem Ausgleich zwischen den letzten überlebenden Königssöhnen beteiligt. Edward kehrt nach England zurück und bekommt einen Teil der Herrschaft übertragen; nach dem Tode Harthaknuts wird er das Königreich erben. Dieser erweist sich als völlig überfordert und trinkt sich bereits 1042 bei einer Hochzeit in London zu Tode.
Emma ist die reichste Frau in England, ihr gehören Grafschaften und Städte – und darüber hinaus hat sie ausgezeichnete Kontake zu Kirchen, Klöstern und deren Klerikern. Diese Macht will Eduard brechen. Er verbündet sich mit den mächtigsten Adligen des Landes – unter anderem mit Godwin von Wessex, der seinen Bruder Alfred auf dem Gewissen hat – raubt seiner Mutter alle bewegliche Habe und enteignet sie aller ihrer Ländereien. Angeblich hat sie ihn nicht genug unterstützt.
Mutter und Sohn versöhnen sich zwar später wieder, doch Emma zieht sich schließlich aus der Politik zurück und geht nach Windsor, wo sie am 6. März 1052 stirbt.
Emma ist zweifache Königin, Stiefmutter zweier englischer Könige sowie die leibliche Mutter zweier englischer Könige. Außerdem ist sie für zwei Jahre die Schwiegermutter des deutschen Thronfolgers, des späteren Salierkaisers Heinrich III., dessen junge Frau Gunhild aber schon nach etwa zwei Ehejahren in Italien vermutlich an der Malaria verstarb.
Als Tochter Herzog Richards I. von der Normandie und Schwester Herzog Richards II. von der Normandie ist sie die Großtante Wilhelms des Eroberers, woraus dieser aufgrund seiner engen Verwandtschaft zu Eduard dem Bekenner unter anderem dynastische Ansprüche auf die englische Königskrone ableitete, die 1066 zur normannischen Invasion Englands führten.

© Amhara zu Agorá

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