Mathilde, Königin und Heilige

15. September 2013
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Heinrich I. und Mathilde (Chronica S. Pantaleonis; 1237; Köln; Quelle: Wikipedia)

Heinrich I. und Mathilde (Chronica S. Pantaleonis; 1237; Köln; Quelle: Wikipedia)

Mathilde wird um 895 in Enger (ein Weniges westlich von Herford) als Tochter des sächsischen Grafen Dietrich, eines Nachkommen Widukinds, und der aus einer dänisch-friesischen Familie stammenden Reginlind geboren. Die Eltern geben der Tochter den Namen der Großmutter väterlicherseits. Als Witwe zog diese sich in das Reichskloster Herford zurück und wurde dort Äbtissin. Die Familie gehört folglich zum alten karolingischen Reichsadel. Ihr wird die Erziehung der Enkelin anvertraut.
Im Jahr 909 wird das blutjunge Mädchen auf der Königspfalz Wallhausen bei Sangerhausen mit Herzog Heinrich von Sachsen, dem späteren deutschen König, vermählt. Für diese Ehe hat sich Heinrich – vielleicht nicht ganz freiwillig – von seiner ersten Ehefrau Hatheburg getrennt. Aber Ehen werden nicht aus Liebe geschlossen. Sie haben der Festigung von Allianzen und der Sicherung von Besitz zu dienen. Auch der inzwischen etwa 33 Jahre alte Heinrich hat sich der Entscheidung des Familienoberhauptes zu beugen – und das ist noch sein hochbetagter Vater. Otto der Erlauchte stirbt erst 912 im Alter von etwa 77 Jahren. Mit Mathilde bekommt die Familie der Ottonen einen Zuwachs an edelstem Geblüt – und reichen Grundbesitz, den das junge Mädchen als Heiratsgut in die Ehe einbringt, wie Thietmar von Merseburg ausdrücklich festhält. Die kaum Vierzehnjährige muß sich in die Führung einer repräsentativen Hofhaltung finden und sich auch um Heinrichs Sohn Thankmar aus erster Ehe sowie einige Friedelkinder kümmern. Als Brautgabe wird ihr der Ort Wallhausen zugesprochen, bei dem eine Pfalz der Sachsenherzöge liegt.
Ihre beiden Lebensbeschreibungen sind erst nach dem Tode der Fürstin entstanden. Sie mischen tatsächliche und fiktive Nachrichten und sollen als “Fürstinnenspiegel” aktuelle Probleme der Gegenwart beeinflussen. So muß es fraglich bleiben, ob wirklich die “überaus große Schönheit” des hinter Klostermauern aufwachsenden Mädchens Heinrich von Sachsen bewogen haben, seine erste Ehe aufzulösen. Die Merseburger Edlen, mit denen die abgehalfterte erste Ehefrau Hatheburg verwandt ist, muß sich Heinrich sicherlich irgendwie anders geneigt halten – und dazu reicht die Schönheit Mathildes garantiert nicht aus. Wahr wird allerdings sein, daß die junge Herzogin – dann Königin – durchaus attraktiv ist. Sie tritt stolz, gewinnend und sehr repräsentativ auf. Außerdem schildern die beiden Lebensbeschreibungen sie als gescheit, politisch einsichtig und fromm.
Mathilde bringt fünf Kinder zur Welt, die allesamt zu äußerst bemerkenswerten Persönlichkeiten heranwachsen. Ihr Erstgeborener ist Otto, *23.11.912, genannt nach dem Vatersvater und später “der Große” geheißen. Die Tochter Gerberga, *913/914, wird etwa 928/929 mit Herzog Giselbert von Lothringen vermählt, um Lothringen beim Ostfränkischen Reich zu halten. Nach dem unrühmlichen Tod Giselberts im Jahre 939 im Rhein wird Gerberga sich “einfach” mit Ludwig IV. von Frankreich vermählen, obwohl ihr Bruder Otto, inzwischen König, ganz andere Pläne hat. Die Tochter Hadwig, genannt nach König Heinrichs Mutter, ist möglicherweise das dritte Kind und zwischen 916 – 918 geboren. Sie wird 937 mit Zustimmung Ottos I. mit Hugo von Franzien verheiratet. Dieser ist die Graue Eminenz in Frankreich und die sächsischen Schwestern sitzen in Frankreich mit an den Schaltstellen der Macht. Sohn Heinrich, genannt nach dem Vater, ist erst nach der Königserhebung des Vaters im Mai 919 geboren, spätestens aber im Jahre 922. Für die Mutter bedeutet dies ein wirkmächtiges Symbol: unter dem Königspurpur geboren ist dieser Sohn ein echter Königssohn – die älteren Brüder aber nicht. Und so wird Heinrich später versuchen, durchaus mit Unterstützung der Mutter, den Alleinerben Otto vom Thron zu verdrängen. Das wird ihm den Beinamen “der Zänker” eintragen. Im Mai 925 kommt das jüngste Kind zur Welt, ein Sohn, der den Namen Brun erhält. So hieß König Heinrichs Onkel väterlicherseits, zu seiner Zeit das Sippenoberhaupt und ein berühmter Recke im karolingischen Reich. Dieser Sohn aber soll kein Krieger werden, sondern Geistlicher. Bereits in jungen Jahren Schüler an der Domschule zu Utrecht, ruft ihn sein Bruder Otto in die Kanzlei des königlichen Hofes. Bereits mit 15 Jahren wird er Reichskanzler werden, also für den Schriftwechsel zuständig sein. Brun gilt als einer der gebildetsten Männer des Reiches.
Im Jahre 929 hält König Heinrich es für geboten, die zukünftige wirtschaftliche Versorgung seiner weiblichen Familienangehörigen festzulegen. Der designierte Thronerbe Otto stimmt den Übertragungen zu. Mathilde bekommt als ihr Wittum Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen, Grone und Duderstadt zugewiesen.
Daß Otto der Alleinerbe sein würde, ist keineswegs selbstverständlich. Nach germanischem Recht sind sämtliche ebenbürtige Söhne gleichberechtigte Erben, das Reich hätte also geteilt werden müssen. Doch gegen die inzwischen erstarkten Herzöge sind solche Teilungen nicht mehr durchzusetzen. Für den künftigen König sucht Heinrich eine standesgemäße Ehefrau und findet sie unter den angelsächsischen Prinzessinen. In deren Vorfahrenreihe befindet sich ein Märtyrer und außerdem leiten sie sich von den nach Britannien ausgewanderten Sachsen ab – eine perfekte Verbindung. Ein Jahr nach Gerberga ist auch Otto, gerade achtzehnjährig, verheiratet.
Am 02.07.936 erliegt König Heinrich I. auf seiner Pfalz Memleben im Alter von mindestens 60 Jahren vermutlich einem Schlaganfall. Seine letzte Ruhestätte wird ihm in der Burgkapelle zu Quedlinburg bereitet. Mathilde gründet im selben Jahr dort ein Frauenstift. Es erhält die Aufgaben, die Memoria des verstorbenen Königs und anderer Verwandten und Freunde zu pflegen und Töchter des höheren Adels auszubilden. Dieses Stift leitet Mathilde die ersten 30 Jahre persönlich. Im Jahr 966 übergibt sie die Leitung  an ihre Enkelin Mathilde, Tochter Ottos des Großen, und Reichsregentin (997–999) unter Otto III. Erst die Enkelin zählt als Äbtissin des Quedlinburger Stiftes, die Gründerin nicht.
Auch auf ihren anderen Besitztümern gründet Mathilde Stifte und Klöster. In Enger gründet Mathilde um 947 ein Kanonikerstift. Zudem  führt sie den Titel einer Laienäbtissin von Nivelles. Mathildes bemerkenswerte Frömmigkeit drückt sich nicht nur in den Stiftungen aus, mit denen sie das Gedächtnis der verstobenen Familienangehörigen sichert. Gerühmt wird sie auch als Wohltäterin der Armen. Daher wird ihr schon bald Verehrung wie einer Heiligen zuteil. Allerdings ist sie nie offiziell heilig gesprochen worden.
In der Frage der Thronfolge bevorzugt sie anscheinend ihren Sohn Heinrich vor Otto, was zu so starken Zerwürfnissen führt, dass sie sich eine Zeit lang auf ihre Güter im Raum Enger/Herford zurückzieht. Erst ihrer mit Otto verheirateten Schwiegertochter Eadgitha gelingt es, Mutter und Sohn miteinander auszusöhnen.
Weder Otto noch Heinrich sind mit den zahlreichen Stiftungen der Mutter einverstanden, “entfremden” sie doch Familieneinahmen. Die Söhne wollen ihr lediglich den Nießbrauch ihres Wittums zu Lebzeiten zubilligen – anschließend sollten die Güter wieder an die Familie fallen. Man braucht sie, um andere Frauen in der Familie wirtschaftlich abzusichern.
Königin Mathilde stirbt am 14. März 968 in dem von ihr zu Quedlinburg gegründeten Stift. Dort wird sie neben ihrem Gatten, König Heinrich I., in der dortigen Stiftskirche begraben.

© Amhara zu Agorá

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