Weltstadt am äußersten Ende – Haithabu

22. April 2012
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DrachenVor 1.000 Jahren herrschte an der Schlei Hochbetrieb. Handel und Handwerk blühten im heute unbedeutenden Städtchen Haddeby. Es erscheint in unterschiedliche Schreibweisen: altnordisch Heiðabýr, aus heiðr = Heide, und býr = Hof; dänisch Hedeby, lateinisch Heidiba. Haithabu ist die erste frühmittelalterliche Stadt im Norden Europas. Der Ort liegt heute in der Nähe der Stadt Schleswig. Die Siedlung liegt an der Mündung der Schlei und befindet sich an der schmalsten Stelle Jütlands, die Nord- und Ostsee von einander trennt (18 km). Die beiden Meere verband ein Ochsenkarrenweg, den man erst von 1910 – 15 bei systematischen Ausgrabungen frei legte. Er verlief entlang der Flüsse Schlei, Treene und Eider zur Nordsee. Viele Jahrhunderte später wurde hier die meist befahrene Wasserstraße der Welt, der Nord- Ostsee-Kanal, gebaut.

In ihrer Blütezeit im 10. Jahrhundert war Haithabu das größte Handelszentrum Nordeuropas und mit einer Fläche von 24 Hektar so groß wie das damalige Köln. Ein halbkreisförmiger Wall, der noch heute gut zu erkennen ist, sicherte die Stadt nach außen. So beschreibt der arabische Chronist Ibrahim ibn Ahmed At-Tartûschi um 965 Haitabu mit folgenden Worten: “eine sehr große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres.”

Vikingareservat Foteviken

Rekonstruierte Wikingersiedlung
(Quelle: Wikipedia)

Etwa 1.000 Einwohner lebten hier, hinzu kamen zahlreiche Gäste, vor allem Kaufleute, die sogar aus Arabien anreisten. Bernstein und Pelze aus dem Osten, Seide aus China und Gewürze aus Arabien wurden hier gehandelt, wie man an Funden von Kleidungsresten jener Zeit belegen kann. Die Kleidung nordischer Frauen hatte Seidenapplikationen! Aber es gab noch ein anderes Handelsgut: Bei Ausgrabungen auf dem Gelände des heutigen Freilichtmuseums fand man metallene Hand- und Fußfesseln. Wenn die jungen Krieger  der Nordmänner im Sommer auf “viking” fuhren, dann plünderten sie nicht nur Bauernhöfe und Klöster. Sie verschleppten junge Frauen, um sie als Sklavinnen zu verkaufen. Wegen der hohen Sterblichkeitsrate bei den Geburten waren Frauen Mangelware. Allerdings waren die wenigsten Nordmänner “Wikinger”. Die meisten waren friedliche Bauern, Handwerker oder Kaufleute. Nur die jungen Männer ließen sich anwerben, um auf Kaperfahrt zu gehen und ihre Männlichkeit dem Gott Thor zu beweisen. Sie verbreiteten entlang der Küsten und Flüsse seit der Plünderung des Klosters Lindisfarne zwischen Paris, Sevilla und Konstantinopel unter Christen wie Muslimen dreihundert Jahre lang Angst und Schrecken.

Die Leiterin des Museums, Frau Ute Drews, erzählt folgende alte Überlieferung, während sie die Fesseln dem Besucher vorhält: Der Nachfolger des ersten Missionars Nordeuropas, Ansgar, wurde Rimbert. Nach der Vita Rimberti sah er auf dem Sklavenmarkt in Haithabu eine Nonne. Er  fing an zu beten und die Nonne antwortete mit Psalmengesang.  Darauf geschah das Wunder, dass ihre Ketten zerbrachen und sie nur durch starke Wikinger festgehalten wurde. Dann kaufte der Geistliche sie frei. In Haithabu wurde 850 neben Birka eine der ersten christlichen Kirchen in Nordeuropa gebaut. Sie war Grenzstadt zwischen den Heiden im Norden und dem christlichen Frankenreich im Süden. Einige dieser Grenzbewohner wechselten zum christlichen Glauben, ob aus Überzeugung – forderte noch dieser Gott nicht alle 9 Jahre Menschenopfer wie die Priester ihrer Götter es taten, sondern gab sein Leben für alle Menschen – oder aus Geschäftskalkül – konnte man doch mit den Händler des Südens auf gleicher Ebene handeln und wurde nicht argwöhnisch beäugt.

Nach und nach lernten die einen wie die anderen von einander. So veränderten sich Amulette wie Thors Hammer. In der Mitte war ein kleines Kreuz hineingearbeitet. Hier war kein Karl der Große oder Olaf Tryggvason, die mit dem Schwert den Völkern aus eigenen machtpolitischem Interesse den christlichen Glauben aufdrücken wollten. Ihnen gefiel das Alte Testament mit dem Königtum aus Gottes Gnade und dem daraus resultierenden Absolutheitsanspruch, der nichts mit dem Geist der Bibel zu tun hat. Sie schadeten den Missionaren wie Bonifatius in Deutschland oder Ansgar in Skandinavien nur. Als Olaf Thryggvason (d.h. Krähenfuß – er ließ sich mit Hilfe von Tierknochen die Zukunft deuten) durch die Geiselnahme von Isländern, die in Norwegen lebten, Druck auf die Insel ausübte, indem er die Isländer vor die Wahl stellte, entweder das Christentum anzunehmen oder er ließe ihre Angehörigen umbringen, riefen die Goden einen außerordentlichen Althing ein. Der Berserker, der älteste und oberste der Schamanen, zog sich zurück und versetze sich in Trance. Unter Berserker verstehen wir heute meist nur noch einen blindwütigen Krieger. Doch er war mehr. Nach drei Tagen verkündete er, dass sich alle Isländer taufen lassen sollten, um ihre Angehörigen zu retten.  Was sie aber in ihren eigenen vier Wänden glaubten oder zu wem sie beteten, ginge nur sie etwas an. Ein salomonisches Urteil des alten Mannes! Viel Leid und Blutvergießen blieb den Isländern erspart. Nach Verhandlungen gestattete Olaf den Isländern, weiterhin Pferdefleisch zu essen, Kinder, die verkrüppelt waren, auszusetzen oder in ihren eigenen Räumen den alten Göttern zu opfern. Die ersten beiden Bedingungen hatten sicher mit der permanenten Gefahr der Hungersnot zu tun.

Mehr Informationen über das Wikinger-Museum Haithabu, das  vom 31.03. bis 31.10 geöffnet hat, sind auf der Seite des Museums zu finden. Im Juli 2012 ist eine Fahrt von 20 historisch nachgebauten Rahseglern geplant. Teilnehmer werden noch gesucht. Hier sind genauere Informationen zu erhalten.

Wikinger

Frühe Darstellung von Seekriegern. Die roten Schilde deuten auf Dänen hin
(Quelle: Wikipedia)

Der Wohlstand Haithabus weckte Begehrlichkeiten bei den Nachbarn. Im Jahr 1066 endete die Geschichte von Haithabu mit einer Katastrophe. Nicht die  Wikinger überfielen die Stadt. Auch die noch wohlhabenderen Franken forderten die Zwangsbekehrung zum Christentum. Zwar versuchte der norwegische König, Harald der Harte, die Stadt zu erobern. Es gelang ihm nicht, sie einzunehmen. Im Halbkreis umgab Haithabu ein Palisadenschutzwall, der durch zwei Tore unterbrochen wurde.  Zur Meeresbucht mit dem “Haddebyer Noor” war die Stadt offen.

Obwohl jedes kleine Gehöft in der Stadt über einen eigenen Brunnen verfügte, gelang es nicht, Herr über die Brandkatastrophe zu werden. Die Ursache ist immer noch nicht klar. Vermutet wird ein Ansturm von slawischen Stämmen, die die Palisaden vielleicht in Brand gesetzt haben. Es gibt noch viel zu erforschen. Der Anstieg des Wasserspiegels der Ostsee im vergangenen Jahrtausend um etwa 1 m sorgte für ungewöhnlich günstige Erhaltungsbedingungen, sodass eine Fülle von Funden zutage kam. Insgesamt wurden bislang allerdings lediglich etwas mehr als 5 % des Siedlungsareals und etwa 1 % des Hafens untersucht.

Wer mehr über das Ende der Wikinger wissen will, dem sei die ZDF-Dokumentation Der Untergang der Wikinger empfohlen.

 

Thalassa

 

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5 Responses to Weltstadt am äußersten Ende – Haithabu

  1. Thalassa
    24. April 2012 at 19:38

    Kannst Du uns lizenzfreie Fotos zur Verfügung stellen? Wir Redakteuere verdienen alle keinen Cent. Im Gegenteil – alles ist unser Hobby und wir stecken unser Geld rein.

  2. Thalassa
    24. April 2012 at 19:30

    Mir ist ein Fehler unterlaufen in den letzten beiden Abschnitten des Artikels. Ich habe nicht verraten von wem die Einwohner von Haithabu überfallen wurden. Großes ‘mea culpa’, sorry, keine Steinigung

    Es waren die armen Slawen, die neidisch auf die große Stadt sahen. Mehr weiß man noch nicht.

    Hier ist was für die Kids, denen mein Artikel vielleicht zu schwer war. Im Netz gibt es “Was ist Was” oder Buch 54 über die Wikinger http://www.wasistwas.de/geschichte/alle-artikel/artikel/link//3ffcaad783/article/auf-nach-haithabu.html

  3. Kai-Erik
    22. April 2012 at 16:50

    Hallo,

    Haddeby ist nicht Haithabu, auch wenn das immer mal wieder behauptet wird. Auch würde ich diese Aufnahme von den Häusern gegen echte Aufnahmen von der Museumsfreifläche austauschen, da dort sieben Rekonstruktionsversuche stehen. Und das Wikinger Museum Haithabu ist im gesamten Jahr geöffnet, nur die Häuser sind in der Winterzeit geschlossen.

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