Früher war es üblich, Tiere, die Menschen angegriffen hatten oder wo eine solche Gefahr bestand, zu töten. Im Europa des 13. Jahrhunderts soll es begonnen haben, dass sich die Praxis verbreitete, gegen solche Tiere einen Prozess zu führen. Hauptsächlich sind Tierprozesse aus Frankreich bekannt. Vereinzelt gibt es aber auch aus anderen Ländern Berichte über ein Strafverfahren gegen Tiere. Für Deutschland ist bisher kein solcher Prozess bekannt.
Tierprozesse soll es gegen Rinder, Pferde, Wölfe, Hunde und auch Schweine gegeben haben. Als Strafen waren Ertränken, Erwürgen, Hängen, Verbrennen oder auch lebendig Begraben vorgesehen. Den Tieren wurde eine Art Verteidiger zur Seite gestellt, da diese nicht für sich selbst sprechen konnten.
Allerdings sehen einige Wissenschaftler diese Sichtweise eher kritisch. So sollen viele verfügbare Quellen unzureichend erforscht sein. Auch kann bei alten Quellen oft Fiktion und Wahrheit nicht unterschieden werden. Hinzu kommt, dass es häufig zu einer Vermischung mit Verfahren gibt, in denen Tiere als zusätzliche Strafe bei Prozessen gegen Menschen getötet wurden.
Nichtsdestotrotz lässt sich im Schwabenspiegel, welcher etwa aus dem Jahr 1275 stammt, ein Artikel finden, der eine Strafe für ein Tier vorsieht. Hierbei handelt es sich um eine Ableitung aus dem 2. Buch Mose. Dort wird für ein Rind, das einen Mann oder eine Frau so verletzt, dass diese sterben, die Steinigung vorgesehen. Auch sollte das Fleisch des Rindes nicht verzehrt werden. Aber auch hier muss man sagen, dass der Schwabenspiegel kein Rechtsbuch jener Zeit war und der Verfasser, ein Geistlicher aus Augsburg, diese Regel mit einem Hinweis auf deren Herkunft niederschrieb.
Es gibt sogar Berichte über Prozesse gegen Insekten. Als Beispiel soll ein Fall aus Bern gegen das Auftreten von Maikäfern, vielmehr deren Larven (Engerlingen), in Massen dienen. Gegen diese Engerlinge soll es dann ein kirchliches Verfahren gegeben haben, in dem es zu guter Letzt durch den Bischof einen Bannspruch gab. Solchen Berichten sagt man nach, dass diese eher als eine Art Metapher anzusehen sind.
Insgesamt muss man zurzeit wohl davon ausgehen, dass es keine Tierprozesse gegeben hat. Als maßgeblichen Urheber der irrigen Annahme, dass es Tierprozesse gegeben haben müsse, ist Jacob Grimm zu nennen. Im 19. Jahrhundert hatte dieser mit seinem Werk der „Deutschen Rechtsalterthümern“ den Grundstein für falsche Rückschlüsse gelegt. Jacob Grimm befasste sich in diesem Buch mit den germanischen Stämmen. Und nicht nur dies. Er arbeitete gleich 2000 Jahre dieser Region auf. Neben den Rechtsquellen trug er auch Sagen, Erzählungen und Bräuche zusammen. Damit nicht genug, hob Jacob Grimm in seiner Vorrede zu den „Deutschen Rechtsalterthümern“ ausdrücklich hervor, dass er Lücken in seinen Unterlagen mit seiner eigenen Phantasie geschlossen habe.
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