Das Wetter beschäftigt uns auch heutzutage fast täglich. Viel zu oft auch Naturkatastrophen. Im Juli des Jahres 1342 um den Magdalenentag begab es sich, dass es scheinbar nicht mehr aufhören wollte zu regnen. Der Winter zuvor war viel zu kalt und schneereich gewesen. Auch der Frühling war nass und viel zu kalt. Nur Anfang Juli versprach für ein paar Tage eine Hitzewelle eine Besserung des Wetters.
Bereits am 19. Juli begann ein starker Dauerregen in der Region Franken. In den folgenden Tagen breitete sich das Regengebiet weiter Richtung Nordwesten aus. Es erreichte die untere Weser am 22. Juli und die Nordseeküste am 25. Juli. Aufgrund des tagelangen Regens schwollen die Flüsse an, Moldau, Donau, Mosel, Elbe, Unstrut, Main, Rhein und Weser – um nur die größeren Flüsse zu nennen. Nur die Region ganz im Südwesten unterhalb des Neckars sowie zwischen Donau und dem Alpenvorland war nicht betroffen. Es wird berichtet, dass weite Teile Zentral- und Osteuropas sowie der Schweiz überschwemmt waren. Die Pegelstände vieler Flüsse erreichten zum Beispiel in Köln, Frankfurt am Main und Würzburg Rekordmarken, welche seither nicht wieder reicht wurden.
Die Menschen jener Zeit waren an Hochwasser gewöhnt. Jedes Jahr zur Schneeschmelze traten die Flüsse über die Ufer. Aber dies war etwas anderes. Mitten im Sommer, auf den Feldern sollte die Saat aufgehen und reifen, spielte das Wetter verrückt.
Innerhalb weniger Tage wurde die Welt der Menschen in Mitteleuropa zerstört. Das Wasser stieg so stark an, dass es die Städte überflutete. Vielerorts wurden in den überschwemmten Auen ganze Gebäude einfach mitgerissen. Man geht davon aus, dass nahezu alle Brücken zerstört wurden. Selbst die stabilen Brücken in Frankfurt, Würzburg, Regensburg und Bamberg stürzten ein. Es wurde berichtet, dass Feld- und Baumfrüchte, Heu sowie Vieh vernichtet wurden. Auch wälzten sich die Fluten über das Land und rissen 8 bis 10 Meter tiefe Gräben in die Felder. Ebenso wurden Hanglagen durch Schluchtenreißen metertief zerteilt. Dies hatte zur Folge, dass nicht nur die Ernte vernichtet war, sondern auch die Felder völlig unbrauchbar wurden.
Der jahrzehntelange Raubbau an übernutzten Gebieten begünstigte manchen Orts, dass Flächen talwärts geschwemmt wurden. Beispielsweise wurden jetzt in der Nähe von Alzenau im FlussKahl bei Ausgrabungen 3 Meter mächtige Schlammablagerungen gefunden.
Die Menschen, welche nicht in den Wassermassen ertranken, flüchteten sich in höher gelegene Gebiete. Schnell wurden Nothütten errichtet, um unterzukommen. Aber dies geschah nicht nur für einen begrenzten Zeitraum, sondern über die kommenden Jahrzehnte hinweg. Ganze Landstriche, vor allen Dingen die Auenlandschaften und in den Mittelgebirgen, mussten von der Bevölkerung aufgegeben werden. Sie waren durch die Flut unbewohnbar geworden. Es entstanden sogenannte Wüstungen. Die Städte hingegen wuchsen an. Aus den Zwängen dieser Zeit stellten die Menschen ihre Ernährung um. Bislang hatten die Umstände die Menschen dazu gezwungen, sich eher als Vegetarier zu ernähren und so versorgten sie sich vor allen Dingen mit Getreideprodukten. Nach dem Hochwasser änderte sich dies entscheidend. Die Nahrung bestand vor allen Dingen aus Fleisch. Zwar war dieses teurer, aber mit dem Vieh (wie Rindern und Schweinen) konnten die zerstörten Äcker und Wälder als Weideflächen genutzt werden. Der Fleischkonsum wurde quasi auf die Spitze getrieben. Bildet man sich ein, dass wir heutzutage viel Fleisch essen (man geht von etwa 65 Kilogramm im Jahr pro Person aus), so waren es in den Jahren nach 1350 rund 100 Kilogramm. Die Landwirtschaft und somit auch der Fleischkonsum konnten sich erst im Laufe des 15. Jahrhunderts normalisieren.
Wie groß waren die Schäden in der Landwirtschaft? Um den entstandenen Schaden zu verdeutlichen, vergleichen wir die natürliche Erosion mit dem Bodenabtrag durch das Hochwasser. Wissenschaftler gehen heutzutage von einer natürlichen Erosion von etwa 1-3 mm pro 1000a aus. Aufgrund der Naturkatastrophe wird schätzungsweise von einem durchschnittlichen Bodenabtrag von etwa 23 cm ausgegangen. Nun führe man sich vor Augen, dass die belebte Bodenzone etwa 30 cm beträgt. Dies bedeutete, dass fast die gesamte fruchtbare Ackerschicht damit vernichtet war. Wissenschaftler haben errechnet, dass dies 13 Milliarden Tonnen Bodenerosion im Jahre 1342 in ganz Deutschland waren.
Ganz massive Hungersnöte aufgrund von Missernten waren die Folge. Dazu kam, dass in den folgenden Jahren (1347 bis 1353) die Pest in Europa grassierte. Der Hunger verschlimmerte deren Folgen enorm. Die ausgezehrten Menschen hatten der Krankheit oft nichts entgegen zu setzen. So starb fast ein Drittel der damaligen mitteleuropäischen Bevölkerung.
Der Grund jener Hochwasser-Katastrophe war wohl eine ganz besondere Wetterlage. Es handelte sich vermutlich um ein Mittelmeertief, das heute unter der Bezeichnung Vb (5-B) Zyklon bekannt ist. Vereinfacht ausgedrückt strömt durch ein Tiefdruckgebiet südlich der Alpen sehr warme Luft nach Norden über die dort liegenden Kaltluftmassen und bringt enorme Wassermengen mit sich. Dies hat langanhaltende und starke Regenfälle sowie in den Alpen extrem große Schneemengen zur Folge.
Ist es oft schwer, etwas über das Wetter jener Jahre zu erfahren, verhält es sich für dieses Hochwasser ganz anders. Dieses doch sehr einschneidende Ereignis ist mit vielen Beschreibungen in zahlreichen Chroniken zu finden.
So ist in der Chronik der Stadt Würzburg zu lesen:
“Am Maria Magdalenatag und am folgenden Tag fiel ein außerordentlicher Wolkenbruch, welcher den Mainstrom so sehr anschwellte, daß der selbe allenthalben weit aus seinem Bette trat, Äcker und Weingärten zerstörte und viele Häuser samt Bewohner fortriß. Auch die Brücke in Würzburg sowie die Brücken anderer Mainstädte wurden durch die Wuth des Gewässers zertrümmert. In der Stadt Würzburg trat der Strom bis an die erste steinerne Säule an den Domgreden.”
Aus der Beschreibung eines unbekannten Chronisten erfahren wir über den Untergang des Dorfes Bruchhausen, welches zwischen Dettingen und Hörstein im Untermaingebiet gelegen war. “So kamen vom Häuseracker her Bau- und anderes Holz, Gerätschaften, Viehkadaver und Leichen Richtung Bruchhausen. Auch soll alles, was im Wege stand, mit fortgerissen worden sein. Der Tot jener war besiegelt, welche zum Zeitpunkt der Katastrophe zu Hause waren.” Weiter beschreibt der Chronist, dass das schöne Dorf am 28. Juli verschwunden war.
Einen Beitrag zum Hören gibt es auf der Seite des NDR. Unter dem Titel: Das Magdalenenhochwasser gibt es einen Beitrag von dem Autor Arndt Brunnert.
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