Petrus Abaelardus zählt in der Geschichte der Philosophie als ein Pionier, dessen Errungenschaft vor allem die freie und systematische Anwendung der Logik auf die Theologie ist. Sie fand bei seinen Kollegen allerdings erst mehr als hundert Jahre später die gehörige Anerkennung. Erst im 13. Jahrhundert nahm Thomas von Aquin seine Gedanken wieder auf und führte sie in der Scholastik zur allgemeinen kirchlichen Akzeptanz. Jedoch anders als er, denn Thomas meinte, Gottes Existenz durch Logik beweisen zu können.
Abaelard hatte nur wenige Freunde und Unterstützer, darunter jedoch den einflussreichen und nur dem Papst unterstellten Petrus Venerabilis, den Großabt von Cluny. Wir berichteten über ihn.
Weitgehend im französischsprachigen Raum ist seine autobiographische „Historia calamitatem“ (Die Geschichte meines Unglücks) bekannt und der Briefwechsel zwischen ihm und Heloise, seiner Schülerin und Geliebten. In diesen Schriften geht es um die philosophischen und spirituellen Sehnsüchte, Anfragen an die Natur der menschlichen und der göttlichen Liebe, die ein Versuch waren, die Fragen zu ihrer gemeinsamen persönlichen Tragödie zu lösen.
Heloise war eine brillante Studentin der freien Künste und hatte den Ruf einer engagierten und hartnäckigen Diskussionspartnerin. Bis in jüngste Zeit hinein wurde sie von den Historikern eher als amouröser Zierrat Abaelards gehandelt – ohne eigenes Profil. Wer sich aber etwas näher mit den Gedanken und der Lebensleistung dieser Frau auseinandersetzt, wird erkennen, wie Unrecht man ihr damit tut.
Nun, wie geht es weiter, nachdem Abaelard die schwangere Heloise zu seiner Schwester entführt hat? Onkel Fulbert besteht auf einer Heirat. Abaelard willigt in eine heimliche Eheschließung ein, um den wütenden Fulbert zu besänftigen. Doch was tut Heloise? Sie stellt sich quer. In einem ihrer Briefe schreibt sie: “Nichts habe ich je bei dir gesucht – Gott weiß es – als dich selbst: dich schlechthin begehrte ich, nicht das, was dein war. Kein Ehebündnis, keine Morgengabe habe ich erwartet; nicht meine Lust und meinen Willen suchte ich zu befriedigen, sondern den deinen, das weißt du wohl. Mag dir der Name Gattin heiliger und ehrbarer erscheinen, mir war allzeit reizender die Bezeichnung Geliebte, oder gar – verarg es mir nicht – deine Konkubine, deine Dirne. Je tiefer ich mich um deinetwillen erniedrigte, desto mehr wollte ich Gnade bei dir finden und umso weniger gerade auf diese Weise dem Ruhm deiner Vorzüglichkeit schaden… wollte mich heute der Kaiser, der Herr der Welt, der Ehre seines Ehebettes würdigen und mir zusichern, für immer über die ganze Welt gebieten zu können; für süßer und würdiger achte ich’s, deine Buhlerin zu heißen als seine Kaiserin… “
Zu dieser Zeit durfte Abaelard als Kleriker und Theologe noch heiraten, aber sie war der Überzeugung, dass ein Philosoph sich von weltlichen Dingen fern halten müsse. Sie wäre viel lieber seine Geliebte als seine Gattin, hat Heloise ihrem ratlosen Bräutigam gestanden, doch der setzt sich endlich doch mit seinem Heiratswunsch durch. Beide kehren nach Paris zurück. Zuvor verzichtet Abaelard auf das Recht des Erstgeborenen und überträgt seinen drei jüngeren Brüdern Randulf, Dagobert und Porcarius das väterliche Lehen in Le Pallet. Heloise vertraut ihr Kind Abaelards Schwester Dionysia an. Ahnten die beiden, was sie nun erwartete?
Die folgende stille Verheiratung – vermutlich in der Kirche Saint-Aignan, die Kanzler Stephan von Garland gehört – wird von Fulbert ausgeplaudert. Doch das Liebespaar leugnet die Eheschließung standhaft ab. Abaelard versteckt seine Braut auch noch im Kloster Argenteuil. Es kommt zum Zerwürfnis Fulberts mit Heloïsa, die sowieso die Ehe entschieden abgelehnt hat, eventuell auch zu ihrer Misshandlung.
Fulbert sinnt auf Rache. Eines Nachts wird Abaelard in seinem Haus überfallen und bei vollem Bewusstsein entmannt. Abaelard übersteht die Verstümmelung ohne körperliche Komplikationen, jedoch mit innerer Demütigung. Hinter diesem Attentat steckte Fulbert, dem man nur begrenzt eine Mittäterschaft nachweisen konnte. Die Täter – es waren ein Diener Abaelards und Verwandte Fulberts – werden nicht alle gefasst, diese aber mit Entmannung und Blendung bestraft. Fulberts Güter werden vom Kapitelgericht konfisziert, er selbst entgegen früherer Ansicht jedoch nicht aus dem Domkapitel entfernt.
Was geschieht jetzt mit den Beiden? Nur soviel: selbst als Tote finden sie noch nicht Frieden.
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