In Augsburg gab es im 15. Jahrhundert vier Innen- und zehn Außentore in der Stadtmauer.
Eines der inneren ist das Vogeltor.
Seit 1375 wurde der Zutritt zur Jakober Vorstadt, einem Stadteil Augsburgs, von einem Torbau mit Zugbrücke bewacht, die es ermöglichte, den direkt davor liegenden Stadtgraben zu überqueren.
Der damalige Bürgermeister zu Augsburg Konrad Vögelin entschied, den Vorgängerbau durch einen massiven, rechteckigen Steinturm mit Dach und Tordurchgang ersetzen zu lassen und beauftragte nach der Zustimmung des Stadtrates einen Baumeister mit der Errichtung des neuen Turmes.
Die Arbeiten nahmen also ihren Anfang, und nach dem Abtragen des alten begann die Errichtung des neuen Turmes.
Viele Arbeiter standen an der Baustelle in Lohn und Brot, und die Liste der benötigten Materialien für den Bau wurde fast jeden Tag länger. Dem Stadtrat wurde angesichts der Summe, die der Bau verschlang, Angst und Bang, zumal zu jener Zeit die wirtschaftliche Lage in vielen Städten und Orten in ganz Oberschwaben bedenklich war und so auch die Augsburger fürchteten, Heller, Schillinge und Pfennige zu verbauen, die ihnen vielleicht später noch bitter not gewesen wären.
Gleichwohl getraute sich aber keiner, den Bau einzustellen und den Rat damit dem Spott der Leute preiszugeben. Also ward eine geheime Sitzung einberufen, so erzählt die Leutsag’, und nach langem Für und Wider kam man zum Schluß, dass dem Baumeister ein Fehler nachgesagt sein solle, der die Stadtväter der Zahlpflicht enthebe.
So zum Beispiel, wenn der Turm schief wäre.
Als das neue Bauwerk dann im Jahre 1445 fertig und die Abnahme desselben angesetzt war, verfuhren sie, wie sie überein gekommen waren, und bezichtigten den Baumeister vor den Arbeitern und allen, die dabei standen und Maulaffen feil hielten, den Turm schief gebaut zu haben und drohten gar damit, den guten Mann anzuzeigen und zu erwirken, dass er von seiner Zunft bestraft oder gar verstoßen werden solle.
Der Baumeister, der nicht wußte, wie ihm geschah, suchte sich aufs heftigste zu verteidigen, aber was auch immer er anführte zum Beweise seiner Unschuld, sie drehten es gegen ihn und sprachen alle zugleich darwider. Endlich schwieg der Meister und besann sich eine Weile. Darauf sagte er zu dem Ratsherren, der ihm am nächsten stand :
“Einen Beweis habe ich noch für Euch. Wenn Ihr den auch nicht anerkennt, will ich mich bescheiden und mich und meine Arbeit Eurem Urteil unterwerfen. Du mußt aber dazu mit mir hinauf zum obersten Fenster unterm Dach. Und alle anderen sollen hier unten Acht haben und genau vermerken, was g’schieht!” Die Ratsleute willigten ein, in dem sicheren Bewußtsein, gewonnen zu haben, wenn nur alle gemeinsam auch nach dieser letzten Probe dabeiblieben, der Turm sei schief und würde schief bleiben ewiglich.
Der Baumeister stieg also dem Ratsherren voran die Turmtreppe empor.
Im obersten Stock angekommen ging er zur Fensteröffnung in der Südwand des Turmes, unter der die Leute standen und warteten. Rasch drehte der Meister sich um, hob seinen Kittel in die Höhe, schob seine Bruch zu den Köcheln hinab und sein Hinterteil aus dem Fenster. Er hieß den verblüfften Ratsherren, zum anderen Fenster hinaus zu schauen und gut aufzumerken. Auf diese Worte hin erleichterte der Baumeister sich, und da der Kot lotrecht an der Wand hinabfiel, ohne diese zu beschmutzen, war es bewiesen, dass das Vogeltor gerade steht.
Der Baumeister und alle Arbeiter wurden gerecht entlohnt, die Lieferanten ausbezahlt und die Stadträte über Monate hinaus ausgelacht, denn diese Beweisführung hatte sich noch zur Stunde in der gesamten Stadt herumgesprochen.
Allein, sie hätten es nicht nötig gehabt, die Stadtväter, so auf den Heller zu schielen, Augsburg war eine der wenigen Städte, die zum Ende des 15. Jahrunderts einen Aufschwung in Handel und Wirtschaft erlebten…
Um jedoch der Klugheit des zu Unrecht beschuldigten Baumeisters, in verzweifelter Lage einen unwiderlegbaren Beweis seines Könnens vor aller Augen abzugeben, ein ewiges Denkmal zu setzen, wurde an der Südseite des Vogeltores, etwas unter dem Dachansatz, eine Figurengruppe angebracht.
Sie besteht aus zwei Männern, der eine schaut interessiert nach unten, und der andere über ihm präsentiert sich in einer eindeutigen Hockestellung.
nacherzählt und liebevoll ausgeschmückt von einem Kind der Stadt,
Eurem Hojeweible
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