Semnonenhain

6. Mai 2012
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Richtig gelesen – nicht Seniorenheim – Semnonenhain.

Wir verlassen im Mai die Wikinger und begeben uns auf Völkerwanderung auf dem Festland.

Um den geneigten Leser darauf einzustimmen, was auf ihn zukommt, ein Text von Tacitus einmal in Latein:

„Vetustissimos se nobilissimosque Sueborum Semnones memorant; fides antiquitatis religione firmatur. Stato tempore in silvam auguriis patrum et prisca formidine sacram omnes eiusdem sanguinis populi legationibus coeunt caesoque publice homine celebrant barbari ritus horrenda primordia. Est et alia luco reverentia: nemo nisi vinculo ligatus ingreditur, ut minor et potestatem numinis prae se ferens. Si forte prolapsus est, attolli et insurgere haud licitum: per humum evolvuntur. Eoque omnis superstitio respicit, tamquam inde initia gentis, ibi regnator omnium deus, cetera subiecta atque parentia. Adicit auctoritatem fortuna Semnonum: centum pagi iis habitantur magnoque corpore efficitur ut se Sueborum caput credant.“

Tacitus, Germania, 39
Na, alles verstanden? Hier naht Hilfe mit einer nicht ganz wörtlichen Zusammenfassung des alten Tacitus:

Als die ältesten und vornehmsten Sueben betrachten sich die Semnonen. Ihr Glaube und ihre religiöse Praxis heben sie von den anderen Stämmen ab.. Zu einer bestimmter Zeit treffen sich sämtliche Familien der Semnonen, die durch Abgesandte vertreten werden, in einem heiligen Hain, der durch die von den Vätern geschauten Vorzeichen bestimmt ist. Dort führen sie mit roher Gewalt öffentliche Menschenopfer in widerlichen Feiern durch. Dem Hain wird auch sonst Verehrung gezeigt: niemand betritt ihn, er sei denn gefesselt, um seine Unterwürfigkeit und die Macht der Gottheit zu bekunden. Fällt jemand hin, so darf er sich nicht aufheben lassen oder selbst aufstehen; auf dem Erdboden wälzt er sich hinaus. Insgesamt gründet sich der Kult auf den Glauben, dass der Stamm sich von einem allbeherrschenden Gott herleite, dem alles unterworfen und gehorsam sei. Der Reichtum der Semnonen steigert ihr Ansehen: sie bewohnen hundert Gaue, und die Größe ihres Stammes veranlasst sie, sich für den Hauptstamm der Sueben zu halten.

Tacitus

Publius Cornelius Tacitus von J.N.Larned, 1915 (Quelle: Wikipedia)

Für alle, die ihn nicht persönlich kennen:
Geboren um 58 n. Chr.; gestorben um 120
Publius (oder Gaius) Cornelius Tacitus begann seine staatliche Laufbahn unter Kaiser Vespasian, war unter Domitian im Jahre 88 Prätor , unter Trajan im Jahre 97 Konsul; später hat er Asien als Prokonsul verwaltet. Er lebt also 100 Jahre nach Julius Caesar.

Das Tacitus-Zitat ist eine der wenigen Aussagen, die wir über die Semnonen haben. Ich habe ihn gewählt, damit der geschätzte Leser einen Eindruck davon bekommt, welche Furcht die “zivilisierten” Römer vor den wilden Germanen und vor den Kelten hatten. Manchmal erinnert einen das Lesen im “Bello Gallico” von Julius Cäsar auch an die Auseinandersetzung der neuen Siedler Nordamerikas mit den Indianern. Die Eroberer machen die Einheimischen schlecht, um ihr Handeln zu rechtfertigen.

Tacitus bezeichnet die Ostsee als Mare Suebicum. Er stellt die Semnonen als glühende Isis-Verehrer dar und meint möglicherweise damit die Göttin Freya.

Die Semnonen waren ein Teil des Stammes der Sueben – der Elbgermanen. Ob Tacitus die Wahrheit sagt oder es sich hier um politische Propaganda handelt, ist aus heutiger Sicht schwer zu entscheiden. Nur soviel sei gesagt, dass in Südschweden in Uppsala und in Uppkora bei Lund die archäologischen Teams Spuren von Menschenopfern in heiligen Hainen gefunden haben. Warum soll dies nicht auch hier der Fall gewesen sein? Warum das nur für Polynesien oder Südamerika annehmen? Die Römer hatten einen großen Respekt vor der Wehrhaftigkeit der Germanen. Sie waren im Schnitt einen Kopf größer als die Römer. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Im Durchschnitt sind Italiener immer noch kleiner als der Durchschnittsmitteleuropäer.

Ariovist, ein germanischer Fürst mit ausgezeichneten keltischen Sprachkenntnissen, war einer der Gegner Cäsars im Gallischen Krieg, aber zugleich war sein Stamm mit den Kelten verfeindet. Er stammt von den Sueben und eine seiner zwei Frauen war Semnonin. Vom römischen Senat wurde er sogar “Freund des römischen Volkes” genannt. Die Gallier baten Caeser um Unterstützung gegen Ariovist, vermutlich, weil er 61 v. Chr. die gallischen Haeduer in der Schlacht bei Magetobriga (heute La-Moigte-de-Broie) besiegte und sie tributpflichtig machte. Doch das mit ihnen verbündete Römische Reich blieb weitgehend passiv. Cäsar trieb nach eigenen Angaben in einer späteren Auseinandersetzung Ariovist “mit einigen Kriegern” über den Rhein. Etliche Sprachforscher behaupten, das Wort “Schwaben” leite sich von den Sueben ab. Dieser Artikel soll auf die Geschehnisse der Völkerwanderung einstimmen, die den Wechsel vom Römischen Reich hin zu den germanischen Fürstentümern zeigen, die dann zu Königreichen wachsen. Interessant ist hierzu auch eine Karte zu den Hauptzügen der Völkerwanderung, die auf der Seite der Monumenta Germaniae Historica zu finden ist.

Ein germanisches Haus im Heimatmuseum Berlin-Reinickendorf soll angeblich in semnonischem Stil nachgebaut worden sein.

Ich kann euch dazu nicht viel sagen, was die ollen Germanen jetzt treiben, schaut mal in die Maifestankündigung des Semnonenbunds in der letzten Ausgabe. Ich bin nur ein Baum, der steht, wo er steht und mit Bäumen redet auch keiner. Ihre Spuren hat wohl der Wind wie die Blätter davon geweht. Mein alter ego findet ihr in Nauen zusammen mit Amhara am Sonntag, den 6. Mai 2012.

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