Die Wegeriche sind eine Pflanzengattung in der Familie der Wegerichgewächse und weltweit verbreitet. Zu dieser Gattung werden etwa 190 Arten gezählt. Die lateinische Gattungsbezeichnung “Plantago” leitet sich vom lateinischen “planta” für Fußsohle ab. “Die” Wegeriche sind trittfest und gedeihen auch auf öfter begangenen Wegen, halten also den Fußsohlen stand. Der deutsche Name Wegerich ist aus dem althochdeutschen »wegari« weiterentwickelt. In ganz Europa sind vor allem Breitwegerich, Mittel-Wegerich und Spitzwegerich verbreitet. In den Alpen über 1800 m kommt noch der Alpenwegerich und an den Küsten der Strandwegerich hinzu. In gut sortierten Kräutergärtnereien wird eine alte kultivierte Sorte als Wintergemüse angeboten, der Hirschhornwegerich.
Typisch und unverkennbar sind die Blätter: Die Blattspreite besteht nur aus der Rhachis, dem aufgeweiteten Blattstiel. Daher sind auch die Blattadern parallel oder bogenförmig.
Der Gattungsname Wegerich ist besonders für den Breitwegerich zutreffend. Dieser bevorzugt als Standort Wege mit verdichtetem Untergrund und sauerstoffarmen Böden. Die drei hier beschriebenen Wegericharten sind ursprünglich in Europa beheimatet. Inzwischen sind sie die am weitest verbreiteten ihrer Gattung und ihre medizinische Heilwirkung ist recht ähnlich.
Der Breitwegerich ist ein ausdauerndes Kraut und schiebt seine Blütenstände bis 25 cm hoch. Er überdauert den Winter in einem Rhizom. Als Tiefwurzler (bis 80 cm) kann er auch auf festgetretenen Wegen überleben. Die Laubblätter bilden eine grundständige Blattrosette. Sie können die Größe eines Handtellers erreichen und sind häufig lang gestielt. Die einfache Blattspreite ist mehr oder weniger eiförmig und kann kahl oder dicht und kurz behaart sein.
Der Breitwegerich blüht von Juni bis Oktober. Der ährige Blütenstand ist farblich wenig auffallend (rötlich) und duftet auch nicht. Es findet Windbestäubung statt. Pro Blütenstand werden bis zu 3 Millionen Pollenkörner freigesetzt, sodaß der Breitwegerich ein wichtiger Auslöser von Heuschnupfen ist. Die bis zu 46 Samen pro Samenkapsel sind leicht klebrig und haften auch an Schuhen – so wird der Breitwegerich auf Schritt und Tritt verbreitet.
Die Blätter sind als Salat essbar, solange sie zart und jung sind. Ältere Blätter, die zäh und faserig sind, können gekocht in Eintöpfen gegessen werden. Die Blätter enthalten Calcium und andere Mineralien, und 100 g Wegerich enthalten ungefähr soviel Vitamin A wie eine große Karotte. Die Samen sind so klein, dass sie nur mühsam geerntet werden können. Man kann sie zu einem Mehl mahlen und dann als Mehlersatz verwenden. Ziervögel und Zwerghasen sowie Meerschweinchen lieben die Blüten- und Samenstände und haben sie zum Fressen gern.
Der Breitwegerich ist ein verbreitetes Volksheilmittel. Er enthält neben Schleimstoffen, von den Iridoid-Glykosiden besonders Aucubin, Bitterstoffen und Gerbstoffen noch andere Wirkstoffe. Der Saft bzw. Brei aus den Blättern wirkt entzündungshemmend und fördert die Wundheilung. Neuere Studien verweisen auch auf eine mögliche antivirale und immunmodulatorische Wirkung. Der Saft wird naturheilkundlich eingesetzt bei Magenschleimhautentzündung, Magen- und Darmgeschwüren, Durchfall, Reizdarm, Reizungen der Harnwege, Atemwegskatarrh und Insektenstichen aller Art. Die Schulmedizin hat sich damit noch nicht erschöpfend beschäftigt. Bereits in der Antike wurden die Blätter des Wegerichs auf Wunden und entzündete Stellen aufgelegt. Seltener wurde auch die Wegerichwurzel genutzt. Galenos und Dioskourides zählen in ihren Schriften zahlreiche Anwendungsgebiete für den Wegerich auf. Zudem notiert Dioskourides, daß der Wegerich auch Epileptikern und Asthmatikern hilft.
Der Spitzwegerich ist ein ausdauerndes Kraut, das Wuchshöhen bis 50 Zentimeter erreicht. Anders als der Breitwegerich weicht der Spitzwegerich an den Wegrand und in das Grasland aus. Der Boden darf gerne nahrhaft sein. Seine reich verzweigte Wurzel kann bis zu 60 cm in die Tiefe reichen. Die in einer grundständigen Rosette stehenden Laubblätter sind ungestielt. Sie sind schmal, lanzettlich und laufen spitz zu.
Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Auf einem langen Schaft steht ein dichter, walzenförmiger, ähriger Blütenstand. Er ist kürzer als beim Breitwegerich. Er wird von Insekten aufgesucht, aber auch durch den Wind bestäubt.
In Mangelzeiten nach den beiden Weltkriegen und während der Weltwirtschaftskrise war Salat aus wildwachsendem Spitzwegerich eine beliebte Zukost. Ernten und Sammeln kann man ihn am besten von Anfang April bis Ende August.
Spitzwegerich enthält neben Gerbstoffen, die adstringierend wirken, Iridoidglycoside wie Aucubin, Catalpol und Asperulosid. Diese Wirkstoffe sind antibiotisch, hemmen Entzündungen und lindern den Hustenreiz. Schleimstoffe helfen den erkrankten (Schleim)Häuten als sanfte Auflage, Kieselsäure festigt sie und die bitteren Saponine sind fungizid, entzündungshemmend, harntreibend und ebenfalls (wie Aucubin und seine Schwestern) schleimlösend.
Der Bedarf der pharmazeutischen Industrie an der Droge ist hoch. Im Wesentlichen wird er aus umfangreichen Kulturbeständen gedeckt. Die pulverisierte Droge ist auch Bestandteil von Salben. Da das natürliche Antibiotikum nicht hitzebeständig ist, sollte man sich für den innerlichen Gebrauch Preßsaft aus der Apotheke besorgen.
Der Mittlere Wegerich ist ein mehrjähriges Kraut, das bis 50 Zentimeter hoch werden kann. Auch er wurzelt tief. Die Laubblätter sind in einer grundständigen, meist dicht am Boden anliegenden Rosette angeordnet. Sie sind locker kurz weißlich behaart und annähernd eiförmig. Sie werden bis 17 Zentimeter lang und haben einen recht kurzen breiten Blattstiel.
Vom zweiten Lebensjahr ab blüht der Mittlere Wegerich. Pro Pflanze können mehrere Blütenstengel aufwachsen. Die Blütezeit reicht von Mai bis September. Die Blüten stehen in einem bis 6 Zentimeter langen walzenförmigen ährigen Blütenstand auf einem blattlosen Stengel. Er kann bis 30 Zentimeter hoch werden. Bis zur Fruchtreife streckt der Blütenstand sich auf die doppelte Länge. Die Blüten sind klein – nur vier Millimeter. Die lilafarbenen Staubfäden sind vier- bis fünfmal so lang. Die Staubbeutel sind blasslila bis weiß gefärbt. So fällt diese Wegerichblüte als lila Puschel auf. Außerdem duftet sie, denn der Mittlere Wegerich wird von Insekten bestäubt, die auch Pollen sammeln wie Bienen und Schwebfliegen. Aber er läßt auch den Wind mithelfen und befruchtet sich ab und zu selbst.
In Antike und Mittelalter wurden die Wegericharten nicht botanisch korrekt im heutigen Sinne unterschieden – denn wirksam waren sie alle. Man verwendete alle Pflanzenteile (auch die Wurzeln) in unterschiedlichen Zubereitungen. Dioskourides zählt viele der auch heute noch bekannten Krankheitsbilder auf: Zahnleiden und Mundfäule, Rachenentzündungen und entzündliche und infizierte Hautleiden bis hin zu Tierbissen… Bei ihm heißt der Wegerich “Schafszunge” – und das beigefügte Bild zeigt deutlich einen Wegerich. In seiner Nachfolge setzt in der Spätantike der Autor Pseudo-Apuleius die “Schafszunge” (Arnoglossa) in seinem Kräuterbuch an die erste Stelle der dort beschriebenen 130 Pflanzen. Er nennt 24 Anwendungen für diese Heilpflanze: unter anderem Kopfschmerzen und Blasenbeschwerden. Im Mittelalter wurde dieses Werk viel benutzt und immer wieder abgeschrieben.
Nicht nur damals waren die Menschen fest davon überzeugt, daß Beschwörungsformeln die Heilkraft von Pflanzen erhöhen könnten. (“Heile – Heile – Segen…”) Überliefert ist der angelsächsische Neunkräutersegen aus dem 9. oder 10. Jahrhundert. Der Wegerich gehört dazu:
»Und du, Wegbreite, Mutter der Pflanzen,
Offen nach Osten, innen mächtig:
Über dich knarrten Wagen, über dich ritten Königinnen,
Über dich jauchzten Bräute, über dich schnaubten Farren (Stiere),
Allen widerstandest du und setztest dich entgegen.
So widerstehst du auch dem Gift und der Ansteckung,
Und dem Übel, das über das Land dahinfährt.«
Mit Gift, Ansteckung und Übel, die über das Land fahren, war zweifellos die Pest gemeint. In der Tat galt der Wegerich als Pestpflanze. Der Glaube an die giftwidrigen Eigenschaften des Wegerichs hielt sich seit der Antike Jahrhunderte lang.
Heute wird von allen Wegerich-Arten nur der Spitzwegerich offiziell als Heilpflanze eingesetzt. Die Heilwirkung der anderen Wegeriche ist aber vergleichbar. Die moderne Medizin beschränkt sich dabei auf Erkältungskrankheiten, Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut sowie auf die Behandlung von entzündlichen Veränderungen der Haut.
Dabei sind die Beschwerden, die man mit diesen Heilkräutern behandeln kann, erheblich vielfältiger. Sie sind gut verträglich und wirken schmerzstillend, blutstillend, wundheilend, pilzhemmend, entzündungshemmend, harntreibend und entkrampfend.
Neuzeitliche Jäger kennen sie noch als “Hasenapotheke”. Vielleicht sollten wir mindestens so klug sein wie Hasen.
© Amhara zu Agorá
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