Lioba, Thekla und Walburga

20. September 2015
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Walburga stammt aus Wessex, wo sie um 710 als Tochter eines angelsächsischen Adeligen geboren sein soll. Sie ist die Schwester der angelsächsischen Missionare Willibald und Wunibald und (vermutlich) Nichte von Wynfreth, dem Papst Gregor II. neben dem Auftrag zur Heidenmission in Norddeutschland auch den Namen Bonifatius verliehen hatte. Walburgas Vater starb 720 während einer Pilgerreise mit seinen Söhnen in Lucca. Dies ist durch die zeitnahen Lebensbeschreibungen der Brüder, die Hugeburc im Kloster Heidenheim ab 780 niederschrieb, belegt – daß er Richard hieß und König war, aber nicht. Anscheinend starb auch Walburgas Mutter früh, denn das Mädchen kommt mit etwa zehn Jahren in das noch junge Kloster Wimborne. Dies war nur fünfzehn Jahre zuvor von der verwitweten Königin Cuthburga von Nothumbria, die eine Prinzessin von Wessex war, gegründet worden und für seinen hohen Bildungsstand bekannt. Unter anderem wurde griechische und lateinische Literatur gelehrt, sodaß die Nonnen sämtlich lateinisch lesen, schreiben und sprechen konnten. Hier lebt Walburga die nächsten 26 Jahre ihres Lebens. Durch einen Besuch ihres Bruders Wunibald in Wimborne wird sie schließlich dafür gewonnen, ebenfalls in die Mission im Ostfrankenreich zu gehen – die Sachsen waren mehrheitlich noch Heiden, wie die Friesen, bei denen Bonifatius am 05.06. 754 0der 755 ums Leben kommen sollte. Mit ihr gehen noch weitere Nonnen auf das Festland, unter ihnen ihre Verwandten Lioba und Thekla sowie Hugeburc. Bei der stürmischen Überfahrt über den Ärmelkanal gerät das Schiff in Seenot und Walburga soll die ganze Zeit über betend an Deck gewesen sein und damit das Schiff vor dem Untergang bewahrt haben. Anfänglich lebt sie in dem von Lioba und Thekla gegründeten Kloster in Tauberbischofsheim, bis sie 761 – nach dem Tod ihres Bruders Wunibald am 18.12. dieses Jahres – die Leitung des erst 752 gegründeten familieneigenen Klosters in Heidenheim übernimmt. Anscheinend macht es damals für Angelsachsen keine Probleme, wenn eine Frau ein Männerkloster leitete… Das Kloster ist ein Missionsstützpunkt im durch die fränkischen Merowinger eroberten Sualafeld (“an der Schwalb gelegen”). Bald kommt nach angelsächsischem Vorbild ein Frauenkloster hinzu und Walburga wird durch die  Leitung des Doppelklosters zu einer der einflußreichsten Frauen im christlichen Europa. Da sich bald nach dem Tode Wunibalds Wunder an seinem Grab in der Klosterkirche ereigneten, werden seine Gebeine am 24.09.777 in den Ostchor der im Bau befindlichen neuen Abteikirche überführt. Der Steinbau wird 778 fertig gestellt, ist aber nicht mehr erhalten. In Heidenheim ist Walburga am 25.05.779 oder 780 mit etwa siebzig Jahren gestorben und wurde dort auch beigesetzt. Ihr Bruder Willibald, Bischof im bairischen Eichstätt, soll zu der Zeit bei ihr gewesen sein. Erstmalig wurden ihre Gebeine um 870 “erhoben” und nach Eichstätt umgebettet, da das Kloster Heidenheim nach dem Aussterben der Gründerfamilie mit seinen Liegenschaften an das Bistum zurückgefallen und aufgelöst worden war. Die Heiligsprechung durch Papst Hadrian II. an einem 01. Mai begründet den Brauch der Walpurgisnacht. Allerdings tat sich Walburga nicht als Besenreiterin hervor – der Legende nach besänftigte sie Stürme und bissige Hunde, bewahrte Kinder vor dem Verhungern und Wöchnerinnen im Kindbett und gilt daher als Schutzheilige bei Sturm, Hungersnot (und drohender Mißernte) sowie Seuchen. Besonders die im Mittelalter grassierenden Seuchen beförderten die Beliebtheit der angelsächsischen Missionarin.

Thekla stammt ebenfalls aus angelsächsischem Adel und ist mit Lioba und Walburga verwandt. Wie diese wird sie im Kloster Wimborne ausgebildet und folgt dem Ruf von Wynfreth-Bonifatius als Missionarin in den östlichen Teil des Frankenreiches. Nach einem längeren Aufenthalt bei Lioba im Kloster Tauberbischofsheim übernimmt sie um 750 das Amt der Äbtissin im Kloster Kitzingen. Dieses war erst wenige Jahre zuvor gegründet worden – in der Vita des Abtes Sturm von Fulda wird es unter dem Jahr 748 erwähnt – und dürfte, wie damals üblich, das Eigenkloster einer einflußreichen fränkischen Sippe gewesen sein. Auch den Frauenkonvent in Ochsenfurt, der eine kleine Zelle gewesen sein dürfte, leitet sie.
Schwerpunkte von Theklas Tätigkeit sind Bildung, Erziehung und Krankenpflege.
Sie stirbt um 790 in Kitzingen. Obwohl nichts über eine “Erhebung der Gebeine” und anschließende erneute feierliche Beisetzung, die damalige Form der Heiligsprechung, überliefert ist, wird Thekla als Heilige verehrt. In der Abtei Münsterschwarzach z.B. ist ein Altar den drei miteinander verwandten Klostergründerinnen gewidmet.

Lioba ist um 700/710 in Wessex, England geboren und erhält den Namen Truthgeb. Ihre Mutter soll eine Schwester von Wynfreth-Bonifatius gewesen sein. Die Quellen zum Leben der Heiligen Lioba sind nicht besonders umfangreich. Die ”Vita Leobae” des Rudolf von Fulda  ist etwa 50 Jahre nach ihrem Tod entstanden und wurde eindeutig zugunsten einer seit ihrem Tod gewandelten Theologie gestaltet. Daneben sind in Abschriften ein Brief der Lioba an Bonifatius, zwei Briefe von Bonifatius an sie und einer des Mainzer Bischofs Lul an sie erhalten. Darüber hinaus wird Lioba in der Urkunde genannt, mit der ihr Karl der Große den Gutshof und die Kirche in Schornsheim auf Lebenszeit überlässt.
Der Vater von Lioba, Dynne, war ein angelsächsischer Adeliger, die Mutter hieß Aebbe. Sie gehörten zur zweiten christlichen Generation nach der Christianisierung der angelsächsischen Königreiche. Die Eltern blieben lange kinderlos und Lioba war ihr einziges Kind. “Lioba” ist die latinisierte Form des Kosenamens Leobgytha (“die von Gott/ den Eltern Geliebte”) und hat den Taufnamen des Mädchens völlig verdrängt; sie nannte sich später selbst nur so.
Im Alter von etwa sieben Jahren wird Lioba von ihren Eltern dem Doppelkloster der Benediktinerinnen von Wimborne übergeben. Sie durchläuft im Kloster eine Ausbildung in den Sieben Freien Künsten und erwirbt dabei eine umfassende literarische und theologische Bildung, die auch das Kirchenrecht mit einschließt. Anschließend lebt sie als Nonne und als Lehrerin in Klöstern in Wessex und Kent, darunter in Minster-in-Thanet. Diese Klöster unterstützten die Missionsarbeit des Bonifatius im Fränkischen Reich.
732/735 erbittet Bonifatius von der Äbtissin des Klosters Wimborne, Tetta, Lioba als Mitarbeiterin und macht sie zur Äbtissin des Klosters Tauberbischofsheim. Sie missioniert durch den Unterricht für junge, einheimische Mädchen der Oberschicht in ihrem Kloster und übernimmt so das ihr aus den angelsächsischen Königreichen bekannte Modell. Damit wirktesie über die familiäre Vernetzung auf die Christianisierung der einheimischen Eliten ein. Eine Reihe ihrer Schülerinnen werden wiederum Lehrerinnen und tragen so das Wissen weiter.
Im Rückblick besonders auffällig ist ihre große Offenheit gegenüber der Bildung von Frauen und die Förderung von deren aktiver Tätigkeit in der Mission, wie sie das aus England kannte. Dies unterscheidet sich von dem wesentlich androzentrischeren römischen Modell, das sich in der Folgezeit durchsetzen sollte, deutlich.
Lioba ist in hohem Maß mit den Führungseliten des Fränkischen Reiches vernetzt. Persönlich ist sie mit einer der Frauen Karls des Großen, Königin Hildegard, befreundet und Karl der Große stellt ihr einen Alterssitz in Schornsheim zur Verfügung. Bei weltlichen und Kirchenführern ist sie als Beraterin hoch gefragt.
Bevor Bonifatius 754 zu seiner letzten Reise nach Friesland aufbrach, bei der er ermordet wurde, sammelte er seine Mitarbeiter um sich und ordnete seine Nachfolge: Sturmi war bereits früher zum Abt des Klosters Fulda eingesetzt worden. Lul sollte Erzbischof von Mainz werden und Lioba wird mit der Weiterführung des Missionswerks betraut. Dafür investiert Bonifatius Lioba mit seinem Mönchsgewand und bestimmt, dass sie nach ihrem Tod in seinem Grab im Kloster Fulda beigesetzt werden solle. Er vertraut sie dem Schutz des Bischofs Lul und dem der führenden Mönche des Klosters Fulda an. Daraus resultiert zunächst ein besonderes Besuchsritual für Lioba am Grab des Heiligen Bonifatius: Ihr war es als einziger Frau gestattet, tagsüber und ohne Begleitung den entsprechenden Bereich der Klausur dieses Männer-Klosters zu betreten.
Nach dem Tod des Bonifatius kommt es zu einem heftigen Streit zwischen Erzbischof Lul und dem ersten Abt des Klosters Fulda, Sturmius, über die Frage, ob das Kloster dem Bischof unterstehe oder exemt sei. Diesen Kampf gewinnt letztendlich der Bischof. Wo Lioba in diesem Streit stand, ist aus den Quellen nicht zu erschließen. Sie kommt aber mit dem von Bonifatius angeordneten Schutzverhältnis zwischen Lul und Sturmius offensichtlich “zwischen die Mühlsteine”. Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang auffällig: Zum einen verbringt sie ihren Lebensabend nicht in einem der von ihr geleiteten Klöster, sondern in dem für sie organisierten Alterssitz in Schornsheim, 25 km südwestlich von Mainz. Ob das eine Maßnahme der Fürsorge war oder sie so politisch aus dem Verkehr gezogen werden sollte, ist heute nur schwer zu beurteilen. Zum anderen wird ihr kirchenpolitischer Ansatz, Frauen aktiv in die Mission und die kirchliche Arbeit einzubeziehen, von Rom aus nicht gefördert. Das römische Konzept für Kirche und Mission ist männlich dominiert.
Lioba stirbt (vermutlich am 28. September 782) in hohem Alter auf dem ihr übereigneten Gut Schornsheim. Kurz zuvor soll sie sich bei einem Besuch in Aachen von Königin Hildegard mit der Ankündigung verabschiedet haben, dass sie sich in diesem Leben nicht wieder sehen würden.
Ihr Leichnam wurde in das Kloster Fulda überführt, wo sie zunächst im Ostchor der von Abt Sturmi errichteten Stiftskirche St. Salvator nördlich des Hauptaltars beigesetzt wurde. Der Wunsch von Bonifatius, sie in seinem Grab beizusetzen, wurde missachtet. Rudolf von Fulda begründet das damit, daß aus Respekt vor Bonifatius angeblich nicht gewagt wurde, dessen Grab zu öffnen. Wahrscheinlich aber handelt es sich um einen kirchenpolitischen Akt; die ungewöhnliche Bestattung eines Mönches und einer Nonne in einem Grabe hätte die unkonventionelle Theologie, Lebensweise und Haltung von Lioba fast unangreifbar gemacht.
Gleichgültig, in welchem Grab an welcher Stelle der Abteikirche Lioba beigesetzt wurde: Frauen können da nicht hin. Schon daß Lioba das Grab von Bonifatius besuchen konnte, war eine ungewöhnliche Ausnahme und forderte besondere liturgische Vorbereitungen. Da ihre Schülerinnen und Anhängerinnen aus der fränkischen Oberschicht stammten, dürfte der politische Druck auf das Kloster Fulda groß gewesen sein, hier eine Lösung zu schaffen. Die Lösung war, die Reliquie unter dem Fuldaer Abt Hrabanus Maurus zwischen 836 und 838 in die von ihm errichtete Kirche St. Peter auf dem Petersberg zu überführen.
Dargestellt wird Lioba im Habit der Benediktinerinnen mit Äbtissinnenstab, einem Buch und einem Glöckchen oder einem Wollknäul.

© Amhara zu Agorá

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