Stuttgarter Bilderpsalter

14. April 2013
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Die Abtei Saint-Germain-des-Prés war im Mittelalter die reichste und mächtigste ihrer Art im Pariser Umland. Dort entstand in der Zeit zwischen 820 und 830 die heute als Stuttgarter Psalter bekannte Handschrift. 166 Pergamentblätter wurden in Holzdeckel mit Schafsleder gebunden. Mit ihren mehr als 470 biblischen Einzelszenen, 316 Miniaturen und 162 Schmuckinitialen ist sie sehr reich ausgestattet. Aus diesem Grund trägt die karolingische Handschrift auch den Beinahmen Stuttgarter Bilderpsalter. Mit ihrem Bilderzyklus zählt sie zu den ältesten und bedeutendsten Werken ihrer Zeit. In der Forschung sieht man zwar den Entstehungsort, die Abtei Saint-Germain-des-Prés, als erwiesen an, aber nach heutigem Kenntnisstand gibt es  keine näheren Informationen über die Künstler oder Künstlerwerkstatt, die die Handschrift gefertigt haben. Auch der Auftraggeber ist unbekannt. Aus diesem Grund wurde die Handschrift nach ihrem Aufbewahrungsort benannt. Seit mehr als 200 Jahren befindet sie sich in der Landesbibliothek von Baden-Württemberg (Stuttgarter Psalter – Cod.bibl.fol.23).

Der Stuttgarter Psalter ist in lateinischer Sprache verfasst und enthält die gallikanische Fassung der 150 Psalmen des Alten Testaments. Eine Sammlung von 150 Liedern aus dem religiösen Leben des Volkes Israels, die als Psalmen bezeichnet werden, bezeichnet man als Psalter. Diese sind die Grundlage von Klerikern und Laien für die Stundengebete. Aufgrund der großen Bedeutung entwickelte sich ein eigener Buchtyp. Für zahlreiche Kirchenlieder und die Liturgie ist der Psalter noch heute die Grundlage.

Stuttgarter Psalter - Cod bibl fol 23 - Seite 57 - Jesus am Kreuz

Stuttgarter Psalter – Cod.bibl.fol.23
Seite 57 – Jesus am Kreuz
Saint-Germain-des-Prés
[1. Hälfte 9. Jahrhundert]
Quelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Lizenz: Creative Commons Lizenz BY-NC-ND

Der Weg der Handschrift durch die Jahrhunderte ist nicht nachzuvollziehen. Erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es die erste Spur. Herzog Carl Eugen von Württemberg gründete 1765 die Württembergische Landesbibliothek. Es wird angenommen, dass die Handschrift von ihm dorthin übernommen wurde. Es soll Dokumente geben, die eben diese Übernahme in den kurfürstlichen Bestand auf den 19. April 1787 zu datieren wissen. Sie soll ein Geschenk von Daniel Gottlieb Friedrich Faber an den Kurfürsten gewesen sein. War die Handschrift vorher der Familienbesitz der Familie Faber? Es wird vermutet, dass der Psalter durch den Großvater Gottlieb Friedrich Faber, welcher als Leibarzt am herzoglichen Hof in Neuenstadt war, in die Familie gekommen sein könnte.

Gesichert ist die erste Beschreibung tausend Jahre nach seiner Entstehung. Thomas Dibdin (1821 – englischer Bibliograph) und Gustav Friedrich Waagen (1842 – deutscher Kunsthistoriker) machten den Stuttgarter Psalter im Kreise der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bekannt. Schnell war das Interesse geweckt. Benötigten doch viele Kunsthistoriker Bildmaterial für ihre Forschungen.

Dies ist wohl auch der Grund, weshalb die Handschrift seither nicht sehr pfleglich behandelt wurde. Mehrfach wurde diese aus dem ursprünglichen Buchblock heraus genommen. Die Gründe hierfür waren sehr unterschiedlich. Es wurden Fotografien gefertigt und immer wieder einzelne Blätter ausgestellt. Nach dem 2. Weltkrieg erklärte sich die Wiederinstandsetzungsstelle für im Krieg zerstörte Bücher bereit, den Stuttgarter Psalter zu restaurieren. Aber damit nahm das “Leiden” des Buches kein Ende. Für die Herstellung eines Farbfaksimiles wurde es 1962 wieder auseinander genommen. Und wieder wurden einzelne Blätter 1965 im Aachener Dom ausgestellt. Im selben Jahr noch wanderte es, wieder in seinen gotischen Holzeinband gebunden, in den Tresor der Württembergischen Landesbibliothek. Danach kamen nur noch wenige Wissenschaftler und Bibliothekare in den Genuss, die Handschrift sehen zu können.

Stuttgarter Psalter - Cod bibl fol 23 - Seite 163

Stuttgarter Psalter – Cod.bibl.fol.23
Seite 163
Saint-Germain-des-Prés
[1. Hälfte 9. Jahrhundert]
Quelle: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Lizenz: Creative Commons Lizenz BY-NC-ND

Erst durch den Aufruf von Professor Dr. Hartmut Weber (Präsident des Bundesarchivs) im Sommer 2006 konnten Gelder für die umfassende wissenschaftliche Restaurierung in Anspruch genommen werden. Diese waren für ein herausragendes Restaurierungsobjekt zur Verfügung gestellt worden. Und ohne Frage handelte es sich bei dem Stuttgarter Psalter um ein herausragendes Werk. Der Zustand der Handschrift war inzwischen doch besorgniserregend. Die Farbschichten der Miniaturen pulverten ab. Die grünen Bereiche wiesen Risse und Löcher auf. Teilweise gab es sogar ganze Ausbrüche. Bereits in den 1950er Jahren wurde die Diagnose “Grünspanfraß” gestellt.

Wie die Restaurierung und Konservierung der Handschrift vonstattenging, ist ausführlich in einem Dokument der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart nachzulesen.

Ihren Abschluss fand sie im Jahr 2009. Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, konnte man sich nun auch an die Digitalisierung heranwagen. Die Ausstattung war zwischenzeitlich auf den neusten Stand gebracht worden. Im Januar 2011 nahm die Fotografin Larissa Arlt die Handschrift im Tresor auf. Dies war der Schlusspunkt für das Projekt Stuttgarter Psalter. Die digitalisierte Handschrift ist nun für alle über die Seite der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart frei zugänglich.

Seither kommt auch die Öffentlichkeit wieder in den Genuss, den Stuttgarter Bilderpsalter in Ausstellungen bestaunen zu können.

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