Es war einmal ein kleiner Junge. Die Zeiten waren hart, denn es herrschte Krieg. Er wusste nichts davon, nur dass sie immer in Angst lebten und kaum was zu essen hatten. Selbst die Tatsache, dass er des Kaisers Sohn war, half ihm nichts. Er hatte einen Traum. Ein Land, in dem alle in Frieden leben sollten. Die Jahre vergingen und der Krieg ging zu Ende.
Sein Vater war gestorben und er hatte seine Nachfolge angetreten. Sein Volk liebte ihn. Der Friede hatte mit der Zeit einigen Wohlstand mit sich gebracht. Aber der Anfang war schwer gewesen. Sein Vater hatte nach Ende des Krieges, als alles zerstört war und das Land brach lag, lange überlegt, was zu tun war. Es war an der Zeit, das Land wieder voran zu bringen. So setzte er sein ganzes Vertrauen auf zwei vertraute Personen. Sewolt und Enndlin. Sie sollten ins Land hinaus ziehen und neu beginnen. Wie erfolgreich sie sein würden, hatte er sich kaum ausmalen können. Viele Menschen waren ihnen gefolgt. Und so verblassten die Narben, die der Krieg geschlagen hatte, allmählich. Die Früchte auf den Feldern gediehen und der Handel blühte.
Jetzt, da Hönnlin die Nachfolge seines Vaters angetreten hatte, erinnerte er sich daran und bedauerte, dass die beiden tapferen Gefährten von damals mit der Zeit in Vergessenheit geraten waren. Kaum einer kannte heute die zwei noch. Hönnlin fragte seine Berater, ob jemand die Zwei gesehen hätte und wüsste, wo sie wohnen. “Leider nein, Eure Hoheit. Wir wissen nicht, wo die beiden sind.” So entschloss sich Hönnlin, überall im Lande nach den Beiden suchen zu lassen. Jeder Bürger sollte ihm Bericht erstatten, ob er jemanden mit Namen Sewolt oder Enndlin kennen würde. Nun schien es, als ob auch dies keinen Erfolg haben würde.
Aber eines Tages dann kam eine kleine, alte Frau zum Schloss und verlangte Einlass. Der Wächter wollte sie schon wegschicken, weil er dachte, dass sie nur um Almosen betteln wollte. Aber aus irgendeinem Grund besann er sich eines besseren und führte sie doch hinein. Im Thronsaal angelangt verneigte sie sich ganz tief. “Eure Hoheit. Ich möchte Euch gerne bei Eurer Suche helfen, aber dazu muss ich mit Euch unter vier Augen sprechen.” Ein wenig unsicher, aber entschlossen, schickte Hönnlin alle Bediensteten und auch die Wachen hinaus. Er war doch zu neugierig, was denn die Alte zu berichten hätte und wie sie ihm helfen könnte. Als sich dann die Türen hinter allen geschlossen hatten, kam die Frau näher. “Eure Hoheit! Wisst Ihr, die Zwei, die Ihr sucht – die kenn ich. Ich bin damals als eine der ersten mit ihnen gegangen.” Hönnlin machte große Augen “Nun erzähl schon! Weisst du, wo sie nun sind? Lass dich doch nicht so bitten!” “Gemach, gemach.” Die Alte nahm sich jetzt heraus, den Fürsten etwas weniger ehrfürchtig anzusprechen. “Die Zwei haben lange hart gearbeitet. Ein wenig Glück und noch viel mehr Fleiß wurde mit Erfolg belohnt. Nur Ruhm wollten sie nie haben. Viel lieber wollten sie nun ihr Leben genießen. Sie haben inzwischen eine ganze Rasselbande an Kindern und leben in einem schönen Haus am Waldesrand.” Hönnlin, ganz fasziniert und auch begeistert, fragte nun: “Meine Gute, ist es denn nicht möglich zu erfahren, wo dieses Haus liegt?” Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. Nun, es sollte wohl ein Lächeln sein. Aber da ihr schon einige Zähne fehlten, war das Ganze nicht wirklich schön anzuschauen. “Bevor ich zu Euch kam, war ich bei Sewolt und Enndlin. Sie sagten mir, nur wenn ich ihnen versprechen würde, nur mit Euch, Hönnlin, und nicht mit einer ganzen Gefolgschaft zu kommen. Ja dann, aber nur dann wären sie einverstanden, dass ich ihren Aufenthaltsort verrate.” Hönnlin lehnte sich zurück. Sollte er dieser Frau wirklich glauben? Was war, wenn sie ihn in eine Falle locken wollte? Aber was hatte er schon zu befürchten? Er war ihr doch bei weitem überlegen. Er fasste sich ein Herz. “Nun gut. Wann brechen wir auf?” “Jetzt gleich, wenn es Euch beliebt.”
So traf Hönnlin nur kurz einige Vorbereitungen. Die Wachen mussten überzeugt werden, dass er alleine und ohne Schutz das Schloss verlassen wollte. In ein unscheinbares Gewand gehüllt betrat er dann mit der Alten die Straße durch eine Hintertür im Schlosspark. Sie gingen zu Fuß, um nicht weiter aufzufallen. Aber diese Mühe war es Hönnlin wert, wenn er denn nur die Zwei finden konnte, die damals den Anfang für alle gewagt hatten. Nach einiger Zeit, sie waren bereits durch einige kleinere Ortschaften gekommen, erreichten sie dann einen kleinen Fluss. Die Frau blieb stehen, wandte sich um und blicke die Straße auf und ab. Keiner war außer ihnen zu sehen. Dann raffte sie ihre Röcke und stieg in das Flussbett. Das Wasser war nur knöcheltief. Etwas verwirrt schaute Hönnlin ihr einen Augenblick nach. Was sollte das nun wieder? “Nun ja. Was soll’s,” murmelte er vor sich hin und folgte ihr. Zu seiner Erleichterung verließen sie das Nass aber bald und folgten ihm auf dem Trockenen auf einem kleinen Trampelpfad. Dieser war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Erst als man auf ihm lief, konnte man die niedergedrückten Gräser und Zweige kleiner Büsche erkennen. Immer weiter entfernten sie sich so von der Straße. Und als sich Hönnlin erkundigen wollte, wie weit es denn noch sei, machte die Alte plötzlich halt. “Was hast Du? Warum halten wir an?” Er trat ein paar Schritte nach vorne, neben sie. Und dann sah er etwas ganz Unglaubliches.
Mitten im Wald stand ein kleines Schloss. Es war umgeben von einem wunderschönen Garten voller bunter Blumen. Eine prachtvolle Treppe führte zu einer reich verzierten Tür. Und oben auf dem Dach gab es kleine Zinnen, die das Ganze krönten. Hönnlin konnte seinen Blick kaum los reißen. Nie hätte er so etwas hier erwartet. Mit einem Mal bemerkte er, dass die Frau bereits ihren Weg fortgesetzt hatte und auf die Treppe zu lief. Eilends machte er sich daran, mit ihr mit zuhalten. Gerade als sie die Hand nach der Tür ausstrecken wollte, wurde diese plötzlich aufgerissen. Erschrocken fuhren sie beide zusammen. Im selben Augenblick auch waren sie schon von einer ganzen Schar Kinder umzingelt, die kreischend und lachend um sie herum tollten. Sie wurden regelrecht von den kleinen Frechdachsen ins Haus gezogen. Etwas abgelenkt betraten sie das Haus, oder besser gesagt, das kleine Schloss. Die Schönheit, die es von außen ausstrahlte, setzte sich auch im Inneren fort. Es war nicht so überladen, wie Hönnlin es vom Schloss her kannte. Nein, eher schlicht. Aber dies machte den Reiz aus. Wohl ausgewählte Möbel und Gemälde, Blumen und Teppiche – es passte einfach alles.
Und mit einem Mal stand er vor einem Mann. Dieser betrachtete ihn. “Ähm..” stotterte Hönnlin etwas überrascht, weil er ihn nicht hatte kommen sehen: “Ich darf mich vorstellen. Ich bin Hönnlin, Thronfolger des Kaisers.” Der Mann nickte, aber schwieg. Hönnlin hätte jetzt erwartet, dass sich der Mann seinerseits vorstellen würde. Aber nein, er schien gar nicht daran zu denken. Stattdessen betrachtete dieser ihn von Kopf bis Fuß. Nach einer Weile dann fing der Mann an zu lächeln und brummte vor sich hin “Hm, so, so..” “Was soll das heißen? So, so? Wollt Ihr mir nicht Euren Namen nennen?” Der Mann lachte. “Ja kennst du mich nicht mehr?” Völlig verwirrt und entgeistert sah Hönnlin ihn nun an. Wieso sollte er diesen Mann kennen? “Na, dann will ich dir mal auf die Sprünge helfen. Ich bin Sewolt. Wir sind damals zusammen im Krieg durch das Land gezogen. Dein Vater und deine Mutter mussten immer wieder kurze Zeit fort. Und so bist du bei mir und meiner, damals, zukünftigen Frau geblieben.” Und wie Hönnlin noch in Gedanken vertieft war, und versuchte sich zu erinnern, betrat hinter der Alten eine Frau den Raum. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Wie konnte er sie nur vergessen all die Jahre. Voller Freude trat er auf sie zu und umarmte sie. Rasch wurde von einigen Helfern Essen, Wein und Bier heran geschafft. Und ehe er sich versah, war ein kleines Fest im Gange. Lange sprachen sie darüber, wie es ihnen ergangen war, und auch über die alten Zeiten. Als dann schon der nächste Morgen anbrach und sich Hönnlin verabschiedete, nahm ihn Sewolt noch mal beiseite. “Versprich mir eins. Wir leben hier in Frieden und so soll es auch bleiben. Wir wollen keinen Ruhm und keine Ehre. Du kannst gerne wieder kommen. Aber verrate keinem, dass du uns gefunden hast.” Ernst stimmte Hönnlin zu: “Ich versprech’s.” Und so kehrte er in sein Schloss zurück und regiert dort noch heute.
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